Füssen, St. Mang


 

GESCHICHTE

St. Mang in Füssen ? ein Jahrtausend religiöser Mittelpunkt im Ostallgäu

Die Lage Füssens an der bedeutenden Handelsstraße ?Via Claudia Augusta", die von Norditalien nach Augsburg führte, und am Durchbruch des Lechs aus den Alpen war auch für die Ausbreitung des christlichen Glaubens bedeutsam. Deshalb wurde der St. Gallener Wandermönch Magnus (699?772) in den unruhigen Zeiten der Völkerwanderung an diesen Ort entsandt. Der Legende nach vertrieb er hier die gefürchteten ?Lechgeister? und baute um 725/748 seine Zelle sowie eine Kapelle, die dem göttlichen Erlöser (Salvator Mundi) geweiht war, hoch über dem Lech auf einem Felsen. Auf Initiative des Augsburger Bischofs Sintpert (um 778 ? um 807) entwickelte sich aus der Einsiedelei das St.-Mang-Kloster der Benediktiner. Laut Überlieferung begann man noch unter Bischof Nidker (reg. 816?830) mit einer Marienkirche am Platz der heutigen Annakapelle, doch kam der Bau erst unter Bischof Lanto (833?860) um das Jahr 838 zum Abschluss. Wohl gleichzeitig mit dem Kirchenbau entstand nach Maßgabe des St. Gallener Klosterplans südlich davon, hangabwärts, eine erste Klosteranlage in Form eines quadratischen Hofgevierts. Wenig später, um 845, ließ Bischof Lanto mit Zustimmung des Mainzer Erzbischofs Otgar den Leib des Mönches Magnus, der bis dahin in der Mitte der Kirche begraben war, erheben und in einer neuen Grabstätte beisetzen. Magnus hatte nun den Rang eines Heiligen. In der Folgezeit wurde Magnus als Apostel des Allgäus verehrt. Etwa gleichzeitig mit dem Benediktinerstift entstand in Füssen ein karolingischer Königshof. Kloster und Königshof bildeten den Ursprung der mittelalterlichen Stadt, die als Stapel- und Umschlagplatz für den Italienhandel diente. St. Mang hat in seiner fast tausendjährigen Geschichte als kultureller Kristallisationspunkt und als Mittelpunkt des Glaubenslebens maßgeblich Füssen und die gesamte Region geprägt.

Das Kloster wurde durch König Pippin aus altschwäbischem Herzogsgut beschenkt. In der Mitte des 9. Jahrhunderts erlangte es seine Unabhängigkeit von St. Gallen. Die Reliquien des heiligen Magnus wurden zwischen 896 und 898 nach Lorsch und St. Gallen übertragen. Doch scheint bereits im Zuge der Ungarneinfälle um 950 sein Leib abhanden gekommen zu sein. Jedenfalls sind sämtliche seit dem 15. Jahrhundert unternommenen Versuche, seine Grabstätte oder seine Gebeine aufzufinden, erfolglos geblieben. Während das Kloster von Beginn an unter dem Schutz der Augsburger Bischöfe stand und auch bis zum 12. Jahrhundert deren Eigentum war, lagen die vogteilichen Rechte zunächst bei den Welfen, ab 1191 bei den Staufern, nach dem Tod Konradins 1268 bei dem Bayernherzog Ludwig dem Strengen. Ab 1313 unterstanden Kloster und Stadt, die seit 1286 das Stadtrecht besaß, den Augsburger Bischöfen.

Ein neuer Kirchenbau, mit dem zugleich die Magnus-Krypta vollständig überbaut wurde, wurde Mitte des 11. Jahrhunderts in Angriff genommen. Der Grundriss folgte dem ?gebundenen System?, das heißt, Querarme, Chorarm sowie die beiden Langhausjoche sind mit ihren Seitenschiffen aus den Maßen der Vierung entwickelt. Um 1200 wurden der mächtige Glockenturm, die Vorhalle und ein imposantes Westwerk angefügt. Dazu waren aufgrund des abschüssigen Terrains gewaltige Unterbauten nötig. Die karolingischen Bauten hat man mit Ausnahme der Marienkapelle im 13. Jahrhundert völlig beseitigt; an ihre Stelle trat ein Geviert mit Pultdach und reich gestalteten Säulenarkaden. Die Einwölbung des zunächst flachgedeckten Kirchenchores erfolgte 1339 unter Abt Ulrich Denklinger. Der kunstsinnige Abt Johannes Heß (reg. 1458?1480) verschaffte der Kirche eine umfangreiche neue Ausstattung, darunter kostbare Reliquiare und ein neues Chorgestühl. Einige wenige Teile davon haben sich erhalten, so die Muttergottesstatue vom damals neuerrichteten Hochaltar und mehrere Fragmente des Sakramentshauses (im Museum).

Abt Johannes Heß veranlasste auch, dass um 1469 die romanischen Kreuzgangarkaden abgebrochen und durch gotische Fensterwände ersetzt wurden. 1619 schuf der Weilheimer Bildhauer Bartholomäus einen neuen Altar anstelle des gotischen Hochaltar.

Die letzte und größte Umgestaltung fand im Zuge der Barockisierung der gesamten Klosteranlage statt. Bereits unter Abt Benedikt Bauer (reg. 1661?1696) beabsichtigte man den Neubau des Klosters. Doch erst sein Nachfolger Abt Gerhard Oberleitner (reg. 1696-1714) begann 1701 mit dem Bau der neuen stadtbeherrschenden Anlage nach Plänen des Architekten Johann Jakob Herkomer (1652?1717). Herkomer gelang es, aus der unregelmäßig gewachsenen mittelalterlichen Klosteranlage auf schwierigem Terrain einen repräsentativen, symmetrisch angeordneten Baukomplex zu entwerfen; und das unter Verwendung von großen Teilen der alten Bausubstanz. Seitdem steht die schlossartige Südfront des Klosters imposant über dem Lechufer. Sie wird nur noch überragt vom spätgotischen Bau des Hohen Schlosses, der Sommerresidenz der Fürstbischöfe von Augsburg. Innerhalb der Barockanlage wurde die Klosterbibliothek als Beleg von Weisheit und Gelehrsamkeit repräsentativ ausgestattet. Dieser Bibliotheksbau von St. Mang gilt als der originellste in Bayerisch-Schwaben. Sein außergewöhnliches Oval bildet das Zentrum der Südfront, der imposanten Schauseite des Klosters. Der Innenraum überrascht sowohl durch seine Kuppel als auch durch die ovale Öffnung mit Blick hinunter ins Refektorium, dem Speisesaal der Mönche. Unten geht es also um das leibliche Wohl, oben um den geistigen Genuss. Die Deckenöffnung ermöglichte es, zu einem Festessen von oben Musik erklingen zu lassen, der Durchbruch konnte aber auch mit dem großen Ölgemälde von Franz Anton Zeiller abgedeckt werden. Auch die mittelalterliche Basilika wurde in eine großartige, nach venezianischen Vorbildern gestaltete Barockkirche umgebaut. Die Lebensbeschreibung des heiligen Magnus gab das Bildprogramm für den Freskenzyklus der Kirche vor. Johann Jakob Herkomer begründete mit seinem Werk in St. Mang seinen weitreichenden Einfluss auf die ostschwäbische und tirolische Architektur der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts (insbesondere für die Kirchenbauten des Dominikus Zimmermann). Aber der Künstler war nicht nur für die Architektur verantwortlich, er hat auch als Maler und Stuckator die Raumschale geprägt und Entwürfe für die Ausstattung geliefert. So präsentiert sich St. Mang in Füssen bis heute als Gesamtkunstwerk, zu dem es in Bayerisch Schwaben kein vergleichbares Gegenstück dieser Größenordnung gibt.

1802 kam die Stadt Füssen an das Kurfürstentum Bayern, das Kloster St. Mang indes erhielten die Fürsten zu Oettingen-Wallerstein. Am 15. Januar 1803 wies Fürstin Wilhelmine den letzten Abt Aemilian Hafner an, seinen Konvent aufzulösen und das Kloster bis zum 1. März 1803 zu räumen. Das Fürstenhaus übernahm für die Mönche eine angemessene lebenslängliche Pensionszahlung. Die Gebäude wurden zunächst von den neuen Besitzern als Verwaltungssitz genutzt. 1826 wohnten hier sieben Familien mit ihrem Gesinde. Schließlich schenkte Fürst Friedrich von Oettingen-Wallerstein der Stadt im Jahr 1837 die Abteikirche und verkaufte zwei Jahre später die Gebäude an den Reichsrat Christoph Friedrich von Ponickau. Das Kloster ist seit 1909 im Besitz der Stadt. Die Bibliothek des Fürstenhauses Oettingen-Wallerstein mit dem überaus wertvollen Bestand der ehemaligen Klosterbibliothek St. Mang ging 1980 für den Kaufpreis von 40 Millionen DM an den Freistaat Bayern und wurde als geschlossene Einheit im neuen Bibliotheksgebäude der Universität Augsburg aufgestellt. In den Nordflügel der ehemaligen Abtei in Füssen zog das Rathaus ein. Die Restaurierung der Prunkräume ? der ?Fürstensaal?, die Bibliothek, das Refektorium, dass Colloquium, der Kapitelsaal, das ?Papstzimmer? und die Abtskapelle ? dauerte Jahrzehnte. Seit 1989 stehen der Südflügel und die repräsentativen Barockräume des Klosters zur Besichtigung offen. Von der romanischen Klosteranlage sind der Kreuzgang, der Unterbau des Turms, der westliche Chor und das geistige Zentrum der gesamten Anlage, die Krypta Sancti Magni, mit Fresken aus ottonischer Zeit (zwischen 936 und 1074) erhalten. Zwischen 1969 und1972 fanden umfangreiche Renovierungsarbeiten an und in der ehemaligen Stiftskirche statt. Die Gruft unter der Sakristei (von der St. Magnuskrypta her zugänglich) bewahrt die Erinnerung an die 59 Äbte, die hier bis zur Klosteraufhebung wirkten. Die Annakapelle, die 1995 trockengelegt und aufwändig restauriert wurde, war vermutlich die erste Klosterkirche von St. Mang und wurde später als Totenkapelle genutzt. Die vielen mittelalterlichen Grabdenkmäler und der sehenswerte ?Füssener Totentanz?, die älteste Totentanz-Darstellung Bayerns, von Jakob Hiebeler aus dem Jahr 1602 weisen auf ihre Funktion hin. Dem heutigen Besucher bietet die imposante Anlage des ehemaligen Benediktinerklosters um drei Höfe eine Fülle wertvoller Kunstschätze aus allen Epochen der Klostergeschichte und einen tiefen Einblick in die weitreichenden kulturellen Leistungen des Benediktinerordens in den vergangenen Jahrhunderten.

Christine Riedl-Valder



 

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AUS DEM HDBG-MEDIENARCHIV
Klauber/Baumgtn., Kirchenkalender mit Klosteransicht von St.Mang/Füssen, Kupferstich, 1772, Dillingen, Stadt-/Hochstifts-Museum
Copyright: Haus der Bayerischen Geschichte, Augsburg (Voithenberg, G.)

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