Berchtesgaden, Chorherrenstift


 

GESCHICHTE

Fürstpropstei Berchtesgaden - Chorherren und Salzknappen

Das Augustinerchorherrenstift St. Petrus und St. Johann Baptist wurde um 1102 von Graf Berengar von Sulzbach gemäß dem Vermächtnis seiner Mutter Irmgard gegründet. Es entstand am Ort einer früheren Martinsklause. Die ersten Chorherren kamen mit Propst Eberwein aus Rottenbuch, dem Mutterstift der Augustiner in Altbayern. Sie übersiedelten bald nach Baumburg, ebenfalls gegründet von Graf Berengar. Von Baumburg aus sollte - entgegen dem Willen des Gründers - das Stift Berchtesgaden nur als Filiale geführt werden. Erst nach einem Schiedsspruch des Salzburger Erzbischofs Konrad I. im Jahr 1136 und durch eine päpstliche Bestätigung von 1142 wurden beide Stifte getrennt. In dieser Zeit entstand in Berchtesgaden auch ein Frauenkonvent. Er bestand bis in das Jahr 1564. Nach seiner Auflösung wurde an seiner Stelle eine Kirche gebaut, die 1694 dem Franziskanerorden übergeben wurde.
Vor der Gründung des Chorherrenstifts war die unwirtliche Bergregion um Berchtesgaden kaum besiedelt oder kultiviert. Die Regularkanoniker schufen durch Rodungen und Salzabbau ab dem 12. Jahrhundert die Grundlage für den Reichtum des Stifts. Seine erste große Kirche entstand um 1180 nach dem Vorbild des Augustinerchorherrenstifts Gurk in Kärnten. Im Kreuzgang sind noch spätromanische Skulpturen aus dieser Zeit erhalten. 
Kaiser Heinrich VI. garantierte 1194 den Augustinerchorherren ihre grundherrlichen Rechte, das Forst- und Bergregal, die Gerichtshoheit über Rodungsland und -bauern, unterstellte das Stift dem königlichen Hofgericht und erklärte es damit reichsunmittelbar. Im Jahr 1294 erhielt das Reichsstift auch die Blutgerichtsbarkeit und erlangte so die vollständige Landeshoheit. König Wenzel verlieh dem Stift 1380 das Gebiet um Berchtesgaden als Reichslehen, womit der Propst zum Reichsfürsten avancierte.
Im Jahr 1393 gelang es dem benachbarten Erzstift Salzburg zwar sich die Fürstpropstei einzuverleiben. Doch bereits 1405 wurde sie mit Unterstützung des Herzogtums Bayern wieder unabhängig. Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts geriet Berchtesgaden mit seinem ergiebigen Salzbergwerk wiederholt in Konflikt mit dem Hochstift Salzburg. In dieser Zeit entstanden auch Wehranlagen, um das Stift vor dem Zugriff der Salzburger Fürstbischöfe zu schützen. Auch eine repräsentative Residenz wurde in Berchtesgaden errichtet, um die hohe Stellung der Pröpste zum Ausdruck zu bringen. Ab 1559 saß der Propst im Reichsfürstenrat. Neben den Stiften Ellwangen und Weißenburg besaß somit allein Berchtesgaden den Status einer Fürstpropstei.
Der Erfolg der Stiftspolitik spiegelte sich in umfangreichem Grundbesitz im Berchtesgadener Land wider, auch in Gütern in Niederbayern, Oberpfalz, Mittelfranken, Schwaben und Österreich sowie in Residenzen ("Höfen") in Salzburg, München, Regensburg und Klosterneuburg. In geistlicher Hinsicht war dem Stift ursprünglich nur die Pfarrei Berchtesgaden inkorporiert. Früh kamen die Filialen Ramsau, Grafengaden und Schellenberg hinzu. Ab 1255 führten die Pröpste die Pontifikalien. Das Stiftsgebiet wurde im Jahr 1455 als Archidiakonat der geistlichen Jurisdiktion der Erzdiözese Salzburg entzogen und direkt Rom unterstellt. 
Seit dem 16. Jahrhundert suchte das freie Reichsstift, das stetig weitere politische Privilegien und Rechte erlangt hatte, immer stärker den Rückhalt am bayerischen Nachbarn. So regierten schließlich von 1594 bis 1723 wittelsbachische Prinzen als Fürstpröpste in Berchtesgaden. Sie waren in Personalunion Erzbischöfe von Köln und hielten sich nur gelegentlich und dann vor allem zur Jagd im Berchtesgadener Land auf. Dies und der aristokratische Lebensstil des Kapitels wirkten negativ auf das geistliche und geistige Leben des Stifts. Die Zahl der Konventualen war zwar 1581 auf zwölf festgelegt, seit dem 17. Jahrhundert lebten jedoch immer nur sieben Chorherren von den Pfründen. Die von anderen Stiften seit dem frühen 17. Jahrhundert ausgehenden Reformversuche blieben in Berchtesgaden ohne Erfolg. Bezeichnenderweise versuchte der Konvent um 1700 - wenngleich vergeblich - die Umwandlung in ein von der Ordensregel befreites Kollegiatkapitel.
Ein Zeichen für das geringe Interesse der Stiftsherren an geistlichen Dingen war auch, dass die zuletzt in der frühen Gotik renovierte Stiftskirche keine aufwändige Umgestaltung im Stil des Barock erfuhr und erst im 18. Jahrhundert eine Bibliothek errichtet wurde. Die Räume des Fürstpropstes wurden neu ausgestattet, ein Gartenschlösschen und ein Lusthaus erbaut.
Der letzte Fürstpropst Joseph Konrad von Schroffenberg (reg. 1780-1802) war zugleich Fürstbischof von Freising und Regensburg sowie Fürstpropst zu Ellwangen. Ungeachtet dieser Ämterfülle hatte er an Berchtesgaden großes Interesse. Hier lebte er bis zu seinem Tod 1803. Er liegt in der Stiftskirche begraben. 1802 ging die Fürstpropstei an das Fürstentum Salzburg. 1805 kam das Berchtesgadener Land zum Kaisertum Österreich. Seit 1810 gehört es zu Bayern. 
Wie viele andere Stifte und Klöster dienten die Konventgebäude zunächst als Kaserne. 1818 gelangte der Komplex in den Besitz des Hauses Wittelsbach. Die Propstei diente als Sommerresidenz der bayerischen Königsfamilie und nach dem Ersten Weltkrieg bis 1933 als bevorzugter Aufenthalt des Kronprinzen Rupprecht. Er stattete die Räume mit wertvollen Erinnerungsgegenständen der Familie und einem großen Teil seiner kunsthistorischen Sammlung aus. Seit 1988 sind Teile des Schlosses und die Stiftspfarrkirche St. Andreas als Museum zugänglich.

( Stephanie Haberer )



 

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AUS DEM HDBG-MEDIENARCHIV
Ansicht des Augustiner-Chorherrenstifts Berchtesgaden (Fürststift), Kupferstich, um 1620, Berchtesgaden, Heimatmuseum.
Copyright: Haus der Bayerischen Geschichte, Augsburg (Voithenberg, G.)

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