Wechterswinkel


 

GESCHICHTE

Zisterzienserinnen in der Rhön

Zu den ältesten Zisterzen in Franken gehört das wenige Kilometer nördlich von Bad Neustadt in der Rhön gelegenen einstige Frauenkloster Wechterswinkel, das vor dem 14. März 1144 gegründet wurde. An diesem Tag stellte Papst Lucius III. das Kloster unter den Schutz des hl. Petrus und verpflichtete die Nonnen zum Gehorsam gegen den Würzburger Bischof Embricho (reg. 1127?1146). Bereits 1147 konnte das Kloster die Zisterze Ichtershausen in Thüringen unter der Äbtissin Hochburga besiedeln. Zehn Jahre später wurden weitere Nonnen nach SS. Maria und Theodor in Bamberg entsandt. Auf Wechterswinkel gehen außerdem Schmerlenbach und wohl auch Johanniszell unter Wildberg zurück. Zu den frühen Förderern zählt König Konrad III. (gest. 1152). Obwohl nie formell dem Zisterzienserorden inkorporiert, scheinen die Nonnen wenigstens zeitweise nach den Regeln von Cîteaux gelebt zu haben. Unsicher ist auch, ob die Äbte von Ebrach oder von Bildhausen die Aufsicht über Wechterswinkel ausgeübt haben.

Bald zog der in der Region angesiedelte Adel das Kloster an sich und machte es zu einem Versorgungsinstitut seiner unverheirateten Töchter. Damit einher ging ein erheblicher Vermögenszuwachs mit Besitz und Rechten in 119 Ortschaften vor allem im Grabfeldgau. Zugleich lag darin der Keim des künftigen Verfalls klösterlicher Zucht und Ordnung. Da die einzelnen Nonnen ihre jeweilige Mitgift als persönliches Eigentum ansahen, konnten häufig die weit über 100 Klosterfrauen insgesamt nicht mehr hinreichend versorgt werden. Obwohl 1231 der Würzburger Bischof Hermann I. von Lobdeburg (reg. 1225?1254) eingriff und die Neuaufnahmen von Novizen verbot, gelang es ihm auch damit nicht, den Einfluss des Adels auf das Kloster einzudämmen.

Wechterswinkel hatte den Gefährdungen des 16. Jahrhunderts nichts Ernsthaftes entgegen zu setzen. Im Jahr 1556 lebten nur noch vier Nonnen einschließlich der letzten Äbtissin Margaretha von Hessberg im Kloster. Drei Versuche in den Jahren 1567, 1577 und 1579, Wechterswinkel mit Klosterfrauen aus Himmelspforten, Oberschönfeld und Eichstätt zu besiedeln, scheiterten. Schließlich hob Fürstbischof Julius Echter (reg. 1573?1617) im Jahr 1589 die Zisterze mit Genehmigung von Papst Clemens VIII. auf und wies ihre Einkünfte der Würzburger Universität zu. Fortan verwaltete ein Domkapitular den Stiftungsfonds bis zur Säkularisation.

Die äußere Erscheinung des Ortes Wechterswinkel wird bis in die Gegenwart von seiner klösterlichen Geschichte bestimmt. Deutlich erkennt man südlich der Kirche das Geviert des 1472 errichteten Konventbaus. Das Untergeschoss von dessen Ostflügel wurde nach der Säkularisation von 1589 in einen dreischiffigen Speicher umgebaut. 1793 erfolgte der aufwändige Neubau einer Propstei.

Wichtigstes Zeugnis der einstigen Zisterze aber ist die ehemalige Klosterkirche. Eine Weihe ist für das Jahr 1179 überliefert. 1811 wurde der Sakralbau um rund 15 Meter verkürzt und erfuhr auch sonst manche Veränderungen. Ursprünglich dürfte es sich um eine dreischiffige, flachgedeckte Basilika zu sechs Jochen gehandelt haben. Die einfachen romanischen Pfeiler tragen glatte Arkaden mit gestreckten Proportionen. Vier Joche sind erhalten. Der Nonnenchor befand sich im westlichen Teil des Mittelschiffs und muss sehr weit in dieses hineingeragt haben. Der Chor wurde ursprünglich von drei Apsiden geschlossen. Die Hauptapsis war zur Bauzeit niedriger als heute und wurde 1811 zur Aufnahme des Hochaltars aus Bildhausen erhöht. Trotz des fragmentierten Zustands bildet die einstige Klosterkirche von Wechterswinkel ein beeindruckendes Zeugnis zisterziensischen Kirchenbaus in Franken.

Erich Schneider



 

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