Rothenburg o.d. Tauber, Franziskaner


 

GESCHICHTE

 

Rothenburg o. d. T., Franziskaner – volksnahe Seelsorger

 

 

 

Zwei Franziskanerbrüder, mit Blick auf ihr Armutsideal auch „Minder-„ oder „Minoritenbrüder“ genannt, waren im Jahr 1281 aus Schwäbisch Hall zum Predigen und Betteln nach Rothenburg gekommen. Sie entdeckten nahe dem Stadtzentrum ein unbebautes Areal, das ihnen für eine Niederlassung gut geeignet erschien. Nachdem das Provinzkapitel und der Stadtrat von Rothenburg den Plan unterstützten, erfolgte mithilfe führender Bürgerfamilien und des benachbarten Landadels – der Berlichingen, Beulendorf und anderer – der Bau einer Kirche und eines Klosters. Als man die Gebäude jedoch bis an die Stadtmauer erweiterte, protestierte der Rat, weil er die Sicherheit der Stadt und die Interessen der Nachbarn gefährdet sah. König Rudolf entschied 1285 den Streit, indem er die Überwölbung der Burggasse genehmigte und zwei Patriziern befahl, ihren kürzlich errichteten Bau abzubrechen, damit sich das Kloster entfalten könne. Bald führte die volksnahe Seelsorge der Franziskaner auch zu Auseinandersetzungen mit dem Deutschen Orden, der die Pfarrrechte in der Stadt besaß. Durch das Eingreifen des Mainzer Erzbischofs Heinrich Knoderer von Isny und Bischof Mangold von Würzburg kam es 1290 zu einem Vergleich. 1309 weihte Bischof Philipp von Eichstätt den Chor sowie den Hochaltar der Klosterkirche zu Ehren der Hl. Jungfrau Maria. Wie zahlreiche Altarstiftungen beweisen, muss das Langhaus der Kirche um die Mitte des 14. Jahrhunderts schon benutzbar gewesen sein. Seine schlichten, strengen Formen und der Verzicht auf jegliche Dekoration der Architekturglieder entsprach dem Reformgeist des Franziskanerordens. Um 1400 wurde in der Ecke zwischen Chornordwand und Langhaus das Glockentürmchen errichtet.

 

Der Konvent, zu dem insgesamt (mit Laienbrüdern und Novizen) 16 bis 20 Personen gehörten, pflegte von Anfang an in sozialer und religiöser Hinsicht enge Kontakte zur Bürgerschaft Rothenburgs und zum Adel der Umgebung. In der Kirche wurden viele Messen gelesen, sie war auch eine bevorzugte Beerdigungsstätte, wie die zahlreichen Jahrtagsstiftungen und Grabsteine beweisen. Bei der Bürgerschaft, dem Patriziat und dem Adel gleichermaßen beliebt war der Brauch, sich im Ordenskleid der Barfüßer begraben zu lassen. Die Verwaltung des Klostervermögens hatte der Rat schon bald an sich gezogen. Seit dem späten 14. Jahrhundert gab es im Stadtrat einen „Franziskanerpfleger“, der die Wirtschaftsführung der Brüder kontrollierte. Von 1485 bis 1506 stand Martin Schwarz dem Konvent als Guardian vor. Neben seiner geistlichen Berufung war er auch ein hervorragender Maler. Seine enge Beziehung zu dem berühmten Würzburger Holzschnitzer Tilman Riemenschneider (um 1460–1531) führte dazu, dass dieser gleich mehrere Altäre für die Franziskaner in Rothenburg schuf.

 

Anfang des 16. Jahrhunderts war sich der Konvent uneinig in der Frage, ob man sich dem Reformzweig des Ordens anschließen solle. Der Konflikt verschärfte sich in den 1520er-Jahren, als der Mönch Johann Schmidt Anhänger fand, die mit den Lehren Martin Luthers sympathisierten. Im Bauernkrieg 1525 dienten die Klostergebäude zeitweise als Getreidemagazin und Geschützarsenal. Deshalb wurden die Franziskaner nach dem Sieg des Fürstenheeres beschuldigt, sich mit den Aufständischen verbündet zu haben. Johann Schmidt gab auch zu, gegen die Obrigkeit gepredigt zu haben. Er wurde daraufhin auf dem Marktplatz hingerichtet.

 

Der Franziskanerkonvent konnte sich von diesen Ereignissen nicht mehr erholen. Als sich Rothenburg 1544 der Reformation anschloss, lebten nur mehr drei Mönche im Kloster. Zwei Jahre später legte der letzte Guardian, Georg Setzentriebel, die Ordenskleider ab. Nach seinem Tod 1548 flohen die letzten beiden Mönche. Kirche und Kloster gingen in den Besitz der Stadt über. Von 1559 bis 1592 war im ehemaligen Klostergebäude die Lateinschule untergebracht. Seit 1592 diente es dann zum Teil als Wohnung für die Witwen der Geistlichen, zum Teil als Rüstkammer, während die oberen Räume als Getreidekammern benützt wurden. Die Klosterkirche wurde zur evangelisch-lutherischen Pfarrkirche. Ab 1602 wurde sie renoviert und umgebaut, um sie mit Kanzel, Emporen und Orgel den Erfordernissen des evangelischen Gottesdienstes anzupassen. 1693 stellte man eine neue, größere Orgel auf. Nach dem Übergang der Reichsstadt Rothenburg an das Königreich Bayern 1805 fiel der ehemalige Klosterbesitz dem Staatseigentum zu. Kreuzgang und Chor der Kirche dienten zeitweilig als Salzmagazin. Die Kirche wurde 1817 als „gänzlich ruiniert und äußerst baufällig“ bezeichnet.1843 hat man die Klostergebäude teilweise abgerissen und an ihrer Stelle ein Gefängnis errichtet. 1871 ging die Kirche in den Besitz der Kirchenverwaltung St. Jakob über. Es folgte eine mehrjährige Wiederherstellung. Kreuzgang und Klostergarten wurden der Stadt Rothenburg überschrieben, die dort eine Schule einrichtete. Heute dienen die Gebäude an der Burg- und Heringsbronnengasse dem Goethe-Institut.

 

Die ehemalige Klosterkirche und jetzige evangelische Pfarrkirche St. Maria hat nach einer umfassenden Erneuerung, die von 1988 bis 1994 erfolgte, ihre schlichte Schönheit zurückgewonnen. In ihr hat sich einer der heute seltenen mittelalterlichen Lettner erhalten. Diese Chorschranken trennten einst den Chor, den Raum der Mönche, von der Laienkirche, dem Langhaus, ab. Zahlreiche bedeutende Kunstwerke des späten Mittelalters – darunter auch der um 1490 geschaffene Franziskusaltar, ein Gemeinschaftswerk von Timan Riemenschneider und dem oben erwähnten Malermönch Martin Schwarz – sowie eine große Anzahl von Grabsteinen, darunter der Epitaph des Großvaters von Götz von Berlichingen, sowie Denkmäler und Bronzegrabtafeln sind ein beredtes Zeugnis für die historische Bedeutung der ehemaligen Franziskanerklosterkirche in Rothenburg. Mit den Glasfenstern von Johannes Schreiter im Ostchor, die den Sonnengesang des Franz von Assisi zum Thema haben, ist auch die moderne Kunst mit einem meditativen Werk zur Spiritualität der Franziskaner vertreten.

 

 

 

Christine Riedl-Valder

 



 

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