Rinchnach


 

GESCHICHTE

 

Rinchnach, Benediktinerkloster – Kolonisierung des Bayerischen Waldes

 

 

 

Der Legende nach lebte der Benediktiner Gunter aus Niederaltaich seit 1008 im Bayerischen Wald als Einsiedler. 1011 ließ er sich an der späteren Wallfahrtskirche Frauenbrünnl nieder. Ein Jahr später gab er seine Zelle auf und schloss sich mit anderen Mönchen zusammen, um mit ihnen an dem nahe gelegenen Fluss Rinchnach ein Kloster zu gründen. Innerhalb von acht Jahren entstand hier eine Niederlassung, deren Kirche der Passauer Bischof Berengar am 29. August 1019 zu Ehren des Heiligen Kreuzes, der Gottesmutter und des Einsiedlerpatrons Johannes des Täufers weihte. Dieses Kloster stellte die erste Siedlung in der Gegend dar. Es wurde zum Ausgangspunkt für die Kolonisation des Bayerischen und des Böhmerwalds. Kaiser Konrad II. stattete Rinchnach 1029 mit weitreichenden Besitzungen aus dem kaiserlichen „Nordwald“ aus. Sie erstreckten sich rund 200 Quadratkilometer zwischen dem Lallinger Winkel und dem Arber und mussten von den Mönchen gerodet und erschlossen werden. Vom Mutterkloster Niederaltaich über Hengersberg nach Rinchnach legten die Mönche den so genannten Guntersteig an, der dann weiter zum Böhmweg nahe Zwiesel verlief und zu einer wichtigen Handelsstraße nach Osten wurde. Auf Wunsch Gunters, der in hohem Alter die Klosterleitung abgeben wollte, unterstellte Kaiser Heinrich III. Rinchnach im Jahr 1040 der Abtei Niederaltaich. Der Abt begleitete den Kaiser im selben Jahr noch auf dessen böhmischen Feldzug und vermittelte einen Waffenstillstand mit Herzog BÅ™etislav I. Gunter starb am 9. Oktober 1045 in seiner Eremitenzelle bei Gutwasser (Dobra Voda). Der böhmische Herzog ließ seinen Leichnam in die Benediktinerkirche BÅ™evnov überführen. Sein Grab wurde bald das Ziel zahlreicher Pilger aus Bayern und Böhmen.

 

Bis zum Ende des 12. Jahrhunderts leisteten die Rinchnacher Mönche eine enorme Entwicklungsarbeit in der Urbarmachung der Region, in der zahlreiche Dörfer und Märkte, unter anderem auch Regen und Zwiesel, entstanden. Im 13. Jahrhundert litt das Kloster mehrfach unter kriegerischen Auseinandersetzungen. 1240 überfiel Graf Albert IV. von Bogen das Gebiet der Propstei und brannte die Anlage nieder. Sie wurde ab 1243 unter Propst Rutlieb wiederaufgebaut. Erst durch die Unterstützung von Herzog Otto II., der mit seiner Gemahlin Agnes die Klosterruine besuchte, konnten die Bauarbeiten abgeschlossen werden. Der Freisinger Bischof Otto von Lonsdorf weihte am 12. August 1255 die neu errichtete Kirche, die mit vier Altären ausgestattet war. 1298 verlieh Herzog Otto III. der Propstei zur Wiedergutmachung der erlittenen Schäden den Markt Regen mit allen Rechten, mit Ausnahme des Hochgerichts. Dazu erlangten die Mönche 1321 von den Herzögen Heinrich und Otto die Bierbraugerechtigkeit sowie das Verkaufsrecht für Bier, Wein und Getreide. Ab dem 15. Jahrhundert wurden die Holzbauten der Anlage nach und nach durch Steingebäude ersetzt. 1438 weihte der Passauer Weihbischof Matthias von Krummau den Neubau der Klosterkirche ein.

 

Herzog Heinrich der Reiche bestätigte der Propstei 1430 alle Rechte und Freiheiten. Da die Herren von Degenberg jedoch Ansprüche auf Zwiesel und Frauenau erhoben, kam es zu Auseinandersetzungen zwischen ihnen, der Propstei Rinchnach und dem Mutterkloster Niederaltaich. Im Böcklerkrieg 1467/68 wurden die Gebäude in Rinchnach mehrfach verwüstet. Herzog Albrecht IV. bestätigte jedoch 1472, dass er das gesamte Zwieseler und Frauenauer Gebiet dem Abt unter der Obrigkeit des Propstes von Rinchnach übergeben habe. Ungeachtet dessen nahm Hans V. von Degenberg im Löwlerkrieg 1492 die Propstei ein. Durch Herzog Wilhelm IV. und seinen Bruder Ludwig X. erhielt Rinchnach 1517 die niedere Gerichtsbarkeit über seinen Besitz. Schließlich akzeptierte das Kloster 1540 den Vermittlungsvorschlag von Herzog Ludwig X. zur Beendigung des hundertjährigen Streits mit den Degenbergern um die Herrschaft Zwiesel. Für den ansehnlichen Geldbetrag von 3500 Gulden und 50 Gulden Zinsgeld trat das Kloster die Grundherrschaft einschließlich der Maut und allen weiteren Rechten an die Degenberger ab.

 

1597 brannte die Abtei unter Propst Mathias Aubele erneut ab; weitere Zerstörungen erfolgten im Dreißigjährigen Krieg sowie im weiteren Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts. Am 2. Juni 1693 fiel die gesamte Anlage nach einem Blitzeinschlag dem Feuer zu Opfer. Im Spanischen Erbfolgekrieg verwüsteten österreichische Truppen unter Graf Schulenburg 1703 die Propstei. In der Amtszeit von Propst Moritz Rauscher wurde 1708 das Kloster mit Bräu- und Richterhaus neu erbaut. Abt Joscio Hamberger von Niederaltaich ließ ab 1727 durch Johann Michael Fischer die prächtige Rokokokirche St. Johannes der Täufer erbauen und weihte sie am 10. Mai 1732 ein. Sie erhielt im selben Jahr aus Rom die Reliquien des hl. Athanasius und der hl. Barbara. Im Bildprogramm der Klosterkirche stellte der Freskant Wolfgang Andreas Heindl im Langhaus das Wirken Johannes des Täufers dem des seligen Gunter gegenüber. Unter Propst Franz von Dyrnhard wurde die Anlage im Österreichischen Erbfolgekrieg 1742 beschädigt. Abt Augustin II. Ziegler ersetzte 1766 den hölzernen Bau der Wallfahrtskirche Frauenbrünnl durch eine kleine Barockkirche. 1799 wurden das Brauhaus, die Schule und mehrere zur Propstei gehörende Gebäude durch Brand vernichtet.

 

Unter Propst Theobald Wiest wurde die Propstei Rinchnach 1803 säkularisiert. Ihr Besitz umfasste damals 309 Höfe mit 3800 Hektar Grund; an weiteren 130 Höfen mit rund 1900 Hektar hatte es Anspruch auf den Zehent. Die Klosterkirche fand als Pfarrkirche des Dorfes weiter Verwendung; in das Klostergebäude zog der Pfarrhof ein. Das Bräuhaus mit Nebengebäuden und der Meierhof wurden versteigert. Von der Klosterbibliothek hat man fünf Kisten mit den wertvollsten Büchern und Handschriften an die kurfürstliche Landesdirektion nach München gesandt. Der Rest, laut Aufstellung fünfzehneinhalb Zentner Papier und Pergament, wurden 1807 für 45 Kreuzer pro Zentner abgegeben. Feld- und Wiesengrund aus dem ehemaligen Propsteibesitz verschenkte man an 30 Rinchnacher Häuslerfamilien.

 

Heute erinnern die ehemalige Klosterkirche mit ihrer Ausstattung und den Grabmälern sowie die erhaltene Anlage mit Propsteigebäude an das ehemalige Kloster. In Rinchnach, das sich auch als „Gunterort“ bezeichnet, werden seit den 1950er-Jahren regelmäßig Theaterfestspiele veranstaltet, die das Wirken des Kloster- und Marktgründers Gunter in den Mittelpunkt stellen.

 

 

 

Christine Riedl-Valder

 



 

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