München, Benediktinerinnenabtei Venio


 

GESCHICHTE

München-Nymphenburg, Benediktinerinnenabtei Venio – Klosterleben im Einklang mit der modernen Berufswelt


Marianne Johannes (1900-1993) besuchte 1920 zusammen mit einer Gruppe junger Leute aus dem Katholischen Frauenbund München Exerzitien in Kloster Ettal und erlebte dort den monastischen Tagesablauf, das Choralamt und die gesungenen Stundengebete. Sie war davon so begeistert, dass sie sich dem Orden anschließen wollte. Da ihr vorerst der Eintritt in das Benediktinerinnenkloster Frauenwörth versagt blieb, tat sie sich in München mit einigen anderen jungen Frauen zu einer Gebetsgemeinschaft zusammen. Unter der spirituellen Begleitung durch Pater Alois Mager (1883-1946) aus der Abtei Beuron entwickelte sich daraus allmählich eine an der Regel des hl. Benedikt orientierte gemeinsame Lebensform, in der die Mitglieder jedoch weiterhin ihre weltlichen Berufe ausüben konnten. Die Frauen wurden Oblatinnen der Abtei Beuron und erhielten Schwesternnamen. Die Initiatorin übernahm 1926 als Mater Agnes offiziell die Verantwortung für die Gemeinschaft. Ihr Name „Venio“ greift ein Wort aus Psalm 40 („Siehe, ich komme, ...um deinen Willen, Gott, zu tun“) auf und meint die Nachfolge Christi, in der für die Schwestern in ihrer Ausrichtung auf Gott auch die Zuwendung zur modernen Welt und den Menschen beinhaltet ist. Im folgenden Jahr erhielten die Frauen durch den Münchner Erzbischof Kardinal Faulhaber die Erlaubnis zum gemeinsamen Leben und wurden als Oblatinnengemeinschaft der Abtei Beuron anerkannt. Pater Alois Mager fungierte weiterhin als Priester und Berater der Kommunität, die sich in der Münchner Innenstadt in der Baaderstraße niederließ. Die meisten ihrer Mitglieder gingen sozialen Berufen nach.

1940 wurde die Gruppe geteilt: Einige Frauen um Mutter Agnes wählten die feste Bindung an den Orden durch die Ablegung der Gelübde, verbunden aber mit der weiteren Berufstätigkeit in der Großstadt, andere entschieden sich für eine offenere Lebensform als Oblatinnen. Die unauffällige Gemeinschaft blieb in der Zeit des Nationalsozialismus von Einschränkungen verschont. Nach dem Krieg wurde das Haus in der Münchner Innenstadt zu klein. Deshalb entschloss man sich 1952 zum Umzug nach München-Nymphenburg, wo die Gemeinschaft bis heute lebt. Ein von dem Architekten Siegfried Östreicher (1919-2003) geplanter Kapellenbau, bei dem die liturgische Erneuerung zum Ausdruck kommen sollte, wurde dort realisiert. Das Gotteshaus musste angemessenen Raum für die Ausübung der benediktinischen Tradition des liturgischen Betens und Platz für Gäste zum Mitfeiern der Gottesdienste bieten: Schon zehn Jahre vor dem II. Vatikanischen Konzil wurde hier ein schlichter Volksaltar errichtet. Kardinal Josef Wendel weihte das Gotteshaus am 15. Februar 1953.

Die Kommunität Venio verbindet die traditionelle monastische Lebensform, wie sie durch die Regel des hl. Benedikt vorgegeben ist, mit den Anforderungen des täglichen Lebens in einer modernen Großstadt. Der Alltag der Schwestern wird einerseits durch die gemeinsam gefeierte Liturgie (Stundengebet und Heilige Messe), andererseits durch die Berufstätigkeit im öffentlichen Leben bestimmt. Die Schwestern sind in verschiedenen Berufen tätig, als Krankenschwester, Ärztin, Physiotherapeutin, Lehrerin, Dozentin, Agrar-Ingenieurin oder im pastoralen Dienst in Münchner Pfarreien. Die Finanzierung der Gemeinschaft erfolgt zum größten Teil aus den Gehältern der Schwestern, daneben aus eingebrachtem Vermögen der Mitglieder und aus Spenden. Für die Dauer des Noviziats ist eine berufsfreie Zeit oder allenfalls eine Teilzeitbeschäftigung vorgesehen.

Diese neuartige Form einer benediktinischen Gemeinschaft brachte große Schwierigkeiten für die kirchenrechtliche Zuordnung mit sich. Sie konnte erst nach einem langwierigen Prozess geregelt werden. Während der Leitung des Hauses durch Mater Agape Gensbaur (Amtszeit 1973-1993), die der Gründerin nachfolgte, erreichte man 1992 die Anerkennung der Gemeinschaft durch Rom als „Ordensinstitut bischöflichen Rechts“ und die Aufnahme in die Benediktinische Konföderation.

Die Nachfolgerin Mater Lucia Wagner stand der Kommunität 16 Jahre lang vor. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben war die Arbeit für die weltweite Vereinigung der Benediktinerinnen, „Communio Internationalis Benedictinarum“ (CIB), der sie als Delegierte für den deutschsprachigen Raum diente. In ihre Amtszeit fiel 2007 auch die Gründung einer Niederlassung mit vier Schwestern bei der Wallfahrtskirche Maria de Victoria am Weißen Berg in Prag. Das dortige Pfarrhaus wurde von den Benediktinern des Prager Klosters Brevnov als Ordenshaus zur Verfügung gestellt.

Am 11. Juli 2013 wurde die Kommunität Venio durch den Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, zur Abtei erhoben unter dem Patrozinium „Verklärung des Herrn“. Die bisherige Priorin der Kommunität, Schwester Carmen Tatschmurat, wurde am gleichen Tag zur ersten Äbtissin der neuen Abtei geweiht. Die Schwestern organisieren neben ihrer Arbeit für die Öffentlichkeit ein Veranstaltungsprogramm mit Konzerten, Ausstellungen zeitgenössischer Künstler und Künstlergesprächen. Interessierten Menschen bieten sie die Möglichkeit, an ihrem Klosterleben teilzunehmen und laden zur gemeinsamen Feier der Liturgie ein.

 

 

 

(Christine Riedl-Valder)

 

 

 

Link:

 

www.venio-osb.org



 

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