Ursberg


 

GESCHICHTE

Ursberg - Prämonstratenser und Josefschwestern

Mit dem Gründungsjahr 1125 gilt das Stift als älteste Niederlassung der Prämonstratenser in Süddeutschland. Ursberg, der "Berg der Auerochsen", gehörte ab dem 10. Jahrhundert den Herren von Schwabegg. Dort befand sich auf der Anhöhe, einer alten Michaelskapelle wegen auch der "Michelsberg" genannt, eine Burg.
Bereits 1119 errichtete Werner von Schwabegg unterhalb seiner Burg ein Kloster. Als Vogt des Bistums Augsburg besaß der Herr von Ursberg erheblichen Einfluss. Im Investiturstreit stand Bischof Hermann von Augsburg auf der Seite des Königs gegen den Papst. Die Exkommunikation des Bischofs (1119-1123) stürzte Klerus und Klöster der Diözese in einen Loyalitätskonflikt. So floh der später berühmte Reformkleriker Gerhoh von Reichersberg als Leiter der Domschule 1119 aus Augsburg. Auch der Vogt ging zu Bischof Hermann auf Distanz. So könnte Ursberg zunächst Anhängern des Papsttums als Zufluchtsort gedient haben.
Nach einer Überlieferung im Prämonstratenserorden lebten um 1125 in Ursberg schon regulierte Chorherren, die anlässlich eines Aufenthalts des hl. Norbert seiner Gemeinschaft beitraten. Jedenfalls erscheinen die Konventualen in einer Augsburger Bischofsurkunde von 1130 bereits als "Brüder nach der Regel des hl. Augustinus und der Einrichtung des Bischofs Norbert", also Prämonstratenser. Bereits 1128 besiedelte Ursberg das Stift Osterhofen bei Passau, es folgten um 1130 bzw. 1135 die schwäbischen Stifte Roggenburg und Kaisheim. 1140 übernahmen Prämonstratenser aus Ursberg das Stift Schäftlarn im Isartal und 1142 holte Bischof Otto von Freising die Chorherren aus Ursberg zur Gründung von Neustift. Noch im 18. Jahrhundert besaß Ursberg über diese Tochterklöster das Recht zur Visitation. Grimo, der tatkräftige Propst dieser Gründerzeit, wurde später als Seliger verehrt.
Wie bei den frühen Prämonstratensern üblich, war Ursberg ein Doppelkloster, sein Frauenkonvent existierte noch um 1320. Aus der romanischen Kirchenausstattung des frühen 13. Jahrhunderts stammt die heute noch in Ursberg erhaltene Kreuzigungsgruppe. Spätestens 1365 wurde Ursberg zur Abtei erhoben. 1418 erhielten die Ursberger Äbte die Pontifikalien. Ein prachtvolle gotische Grabplatte, heute im Bayerischen Nationalmuseum in München, zeigt den ersten "infulierten" Abt Wilhelm Sartor (vulgo Schneider) in seinem vollen Ornat.
Insgesamt gilt das 15. Jahrhundert jedoch in der Geschichte des Klosters als Zeit ständiger Konflikte zwischen den Äbten und dem Konvent.
Im Jahr 1143 privilegierte König Konrad II. das Stift mit Zustimmung der Stifterfamilie zum Reichskloster. Nach dem Tod des letzten Herrn von Schwabegg 1167 zog Kaiser Friedrich Barbarossa die Vogtei über Ursberg an sich, d.h., der jeweilige Propst bzw. Abt war an sich im Territorium des Klosters der Landesherr. In den folgenden Generationen verpfändeten die Herrscher immer wieder die Vogtei an verschiedene Adlige, die das Kloster als Erwerbsquelle betrachteten. Zeitweilig stand Ursberg auch unter dem Schutz der Reichsstadt Ulm, wo das Kloster ein großes Stadthaus unterhielt. Von 1546 bis zum Ende des Alten Reichs lag die Vogtei über Ursberg direkt beim Kaiser.
Im großen Bauernkrieg von 1525 wurde Ursberg komplett ausgeplündert und verwüstet. Die Konventgebäude fielen der Brandstiftung einer Bäuerin zum Opfer. Bald darauf erfolgte ein blutiges Strafgericht an den Klosteruntertanen durch die Truppen des Schwäbischen Bundes, dem die Abtei seit 1488 angehörte.
Erneut wurde das Stift im Frühjahr 1632 während des Vorstoßes der schwedischen Truppen nach Schwaben ein Raub der Flammen. Erst 1644 bezog der verstreut lebende Konvent auf dem Michelsberg wieder eine gemeinsame Notunterkunft. Der Wiederaufbau des eigentlichen Klosters dauerte bis 1674. Im Gegensatz zu vielen anderen Konventen in Schwaben und in Altbayern wurde Ursberg kein eigentliches Barockkloster. Erst 1776 entschloss man sich zu einer grundlegenden Renovierung der Abtei im Stil des späten Rokoko.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts galt Ursberg, ungeachtet seines reichsunmittelbaren Standes, als eines der ärmsten Prälatenklöster in Schwaben. Seine Herrschaft umfasste damals knapp 3.300 Untertanen. Neben dem winzigen Klosterdorf Ursberg (73 Einwohner) gehörten zur Reichsabtei die Pfarrdörfer Mindelzell, Billenhausen, Haslach, Bayersried, Oberrohr, Edenhausen und Attenhausen, ferner drei Weiler und etlicher Streubesitz.
Die Abtei hatte noch im späten 18. Jahrhundert in ihre Eigenbetriebe investiert, insbesondere in eine neue Brauerei und die Schafzucht. Zur Klosterökonomie gehörten auch eine Ziegelei, zwei Mühlen, Schmiede, Wagnerei, Schäfflerei, Bäckerei und acht Fischweiher. Das Kloster zählte bei seiner Aufhebung fünfundzwanzig Prämonstratenser. Es beschäftigte 81 Personen und verwendete allein 42 Prozent seines Jahreseinkommens für die Lohnzahlungen. Dennoch verfügte das Reichsstift bis zu seiner Auflösung über beachtliche Aktiva und konnte zudem zahlreichen Untertanen günstige Kredite gewähren.
Von Verfallserscheinungen kann für Ursberg am Vorabend der Säkularisation keine Rede sein. 1793 wurde ein neues Gebäude für die weithin renommierte Lateinschule in Betrieb genommen und 1796 die Bibliothek renoviert. Doch bereits 1798 berichteten Zeitungen aus Augsburg über Pläne zur Aufhebung der Reichsklöster in Schwaben.
Am 31. August 1802 erhielten die Prälaten der Reichsklöster Ursberg, Roggenburg und Wettenhausen je ein Schreiben des bayerischen Kurfürsten, das die Inbesitznahme ankündigte. Tatsächlich erschien bereits am 3. September 1802 in Ursberg ein bayerischer Offizier mit vierzehn Soldaten zur "provisorisch-militärischen Besitznahme" des Reichsstifts. Die "Zivilinbesitznahme" durch das Kurfürstentum Bayern erfolgte am 14. Dezember 1802. Am 3. Februar 1803 begann der bayerische Aufhebungskommissar mit der Versteigerung des beweglichen Inventars und des Viehbestands der Klosterökonomie. Es folgte die Verpachtung der Klostergründe. Die Stiftskirche blieb als Pfarrkirche erhalten.
Im Frühjahr 1804 entstanden aus der Klosterherrschaft Ursberg ein kurbayerisches Landgericht, ein Rentamt und ein Forstrevier. Die Diensträume beherbergte das ehemalige Stift. Ein Teil des Konvents wohnte zu diesem Zeitpunkt noch im Kloster. 1839 zog das Landgericht von Ursberg nach Krumbach, das Rentamt folgte erst im Jahr 1882.
Zum geistlichen Neubegründer von Ursberg wurde der schwäbische Priester Dominikus Ringeisen (1835-1904). Er kaufte 1884 den leer stehenden Gebäudekomplex vom bayerischen Staat und begann sofort mit der Errichtung seiner "Kretinen-, Blinden-, Taubstummen- und Epileten-Versorgungsanstalt". In seiner Denkschrift an die bayerischen Behörden erklärte Ringeisen das Konzept: "...Wer irgendeine Beschäftigung erlernen kann, der wird beschäftigt. Wer geschult werden kann, der wird geschult, und wer geheilt werden kann, der wird geheilt."
Die ersten Pflegerinnen waren zwei Franziskanerinnen aus dem Kloster Kaufbeuren und zwei Bauernmägde. 1888 zählte man in Ursberg bereits 140 Patienten.
1897 gründete Dominikus Ringeisen, mittlerweile auch Pfarrer in Ursberg, die Kongregation St. Josef, eine Gemeinschaft von Schwestern nach der Regel des hl. Franziskus. Als Pfarrer Ringeisen im Jahr 1904 in Ursberg starb, galt sein Werk mit Filialen in ganz Bayern als die größte karitative Anstalt der katholischen Kirche in Deutschland. Auch in den wirtschaftlichen Notzeiten der Weimarer Republik setzte die Kongregation auf Expansion und eröffnete 1930 in der ehemaligen Benediktinerinnenabtei Holzen eine große Filiale von Ursberg.
Ab 1934 wurden in Ursberg 227 Patienten, überwiegend Männer, zwangsweise sterilisiert. Seit 1936 war Ursberg eine so genannte "Geschlossene Anstalt", um weitere Eingriffe des NS-Regimes zu vermeiden. Im Herbst 1940 begann dennoch die Euthanasie. Bis zum August 1941 wurden aus Ursberg und seinen Filialen 199 Menschen nach Hartheim bei Linz gebracht, wo man sie mit Giftgas ermordete. Weitere 180 Patienten starben an Hunger und bewusster Vernachlässigung, die Mehrzahl in Kaufbeuren.
Im Lauf des Zweiten Weltkriegs wurden Ursberg hunderte von Patienten aus anderen Anstalten zugeteilt. Dazu kamen ein Lazarett der Wehrmacht, das aus München verlegte Blindeninstitut sowie Quartiere für ausgebombte Ordenschwestern, Evakuierte und Flüchtlinge. In der Nachkriegszeit war Ursberg ein Aufnahmelager für zahlreiche Heimatvertriebene aus der Bukowina. In den 1970er-Jahren wurde die weitläufige Anlage einer aufwändigen Sanierung unterzogen. Seit 1996 ist das Dominikus-Ringeisen-Werk eine kirchliche Stiftung öffentlichen Rechts, in der die St. Josefskongregation maßgeblich vertreten ist. So befindet sich in Ursberg nach wie vor eine Heil- und Pflegestätte mit zahlreichen Werkstätten und Gärtnerei, eine Förderschule, eine Fachschule für Heilerziehungspflege, ein Gymnasium, ein Klostergasthaus mit eigener Brauerei und ein Klostermuseum.

( Christian Lankes )



 

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