Lindau, Franziskanerkloster


 

GESCHICHTE

Lindau, Franziskanerkloster – Seelsorge für die Bürgerschaft

 

Um das Jahr 1224 berief vermutlich Äbtissin Offemia von Pflegelberg die ersten Minoriten von Trient und gründete in Lindau auf einem Grundstück des Stifts ein Franziskanerkloster. Es gehörte seit 1239 zur Oberdeutschen Provinz des Ordens (Kustodie Bodensee). Der Konstanzer Bischof Heinrich von der Tanne bestätigte 1241 die Einrichtung. Der Kirchenbau war Mitte des 13. Jahrhunderts voll im Gange, da Papst Innozenz IV. den Mönchen einen vierzigtägigen Ablass gewährte. Das Kloster gewann an Ansehen und erlebte in den nächsten Jahrzehnten eine Blütezeit. Eine Reihe von Barfüßern entstammte den Patrizier- und Bürgerfamilien von Lindau und Umgebung. Schon 1278 musste man eine Vergrößerung der Anlage vornehmen. 1296 erhielten die Mönche die offizielle Erlaubnis vom Vatikan, auf ihrem Friedhof die toten Ordensmitglieder zu beerdigen. Im 14. Jahrhundert schlossen sich die Fratres der Bewegung der Franziskaner-Observanten an. Besonders eng verbunden waren die Barfüßer mit den Zünften in der Stadt. Die Schmiede, Sattler und Schiffer stifteten jährliche Seelenmessen in der Klosterkirche und sicherten sich einen Begräbnisplatz bei den Barfüßern. Es bestand auch eine St.-Bernhard-Bruderschaft an der Kirche. 1353 erhielt das Kloster von Papst Innozenz VI. einen Ablass für die Erweiterung des Kirchenchors. Diese Bauarbeiten waren um 1380 vollendet.

Das Lindauer Franziskanerkloster beherbergte einige bekannte Persönlichkeiten, unter ihnen die Schriftsteller Johannes von Winterthur (um 1300–1349), der eine volkstümliche Chronik verfasste, und Marquard von Lindau (um 1320–1392), der mit seinen mystischen Schriften großen Einfluss auf das religiöse Leben seiner Zeit hatte und über 200 Predigten und rund 30 Buchtraktate hinterließ. 1528 wurde das Kloster, aus dem auch Michael Hugo, der erste reformatorische Prediger in Lindau stammte, geschlossen. Es ging in städtischen Besitz über. Die Mönche erhielten eine Abfindung. Als Kaiser Ferdinand 1628 versuchte, den Franziskanern ihren ehemaligen Besitz in Lindau zurückzugeben, scheiterte er am Widerstand der Stadt.

Die Bücher der Klosterbibliothek gelangten in die 1538 gegründete Reichsstädtische Bibliothek Lindau. Ab 1641 war im Kloster die Lateinschule untergebracht. Das Gebäude wurde später abgebrochen. Die ehemalige Klosterkirche diente von 1658 bis 1798 als evangelische Dreifaltigkeitskirche, ab 1747/49 zugleich als Stadtbibliothek. Später nutzte man sie als Kaserne, Gefängnis, Zeughaus. Ab 1868 wurde über der Bibliothek ein Konzertsaal eingerichtet, den man 1887 erstmals als Theater nutzte. Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte durch den Architekt Robert Braun der Neubau des Stadttheaters in den Mauern der ehemaligen Barfüßerkirche. Es wurde 1951 mit Mozarts „Hochzeit des Figaro“ wiedereröffnet. Im Bühnenraum erinnern noch Wandmalereien aus dem Jahr 1516 mit einer Darstellung des Jüngsten Gerichts an die ehemalige Nutzung dieses Raums als Klosterkirche.

 

Christine Riedl-Valder



 

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