Biografien
Menschen aus Bayern

Berthold Bing Hopfenhändler und Politiker, Förderer von Rudolf Diesel

16.06.1847, Scheinfeld
12.10.1915, Nürnberg

Wirkungsort: Nürnberg

Nach Lehrjahren in Frankreich übernahm Berthold Bing den Hopfenhandel seines Vaters und baute ihn zu einem Großunternehmen mit internationalen Geschäftsbeziehungen aus. Zu seinen Freunden zählte Adolphus Busch in St. Louis, Gründer des heutigen Brauereikonzerns Anheuser-Busch. Für seine Rolle in der Nürnberger Politik (Mitglied der Handelskammer, Magistratsrat) und seine wirtschaftlichen Erfolge wurde er 1910 zum Geheimen Kommerzienrat ernannt. Später erhielt er den Bayerischen Micheaelsorden und das Ritterkreuz des Königlich Schwedischen Wasa-Ordens. Als liberaler Jude nahm er nicht am religiösen Leben seiner Kultusgemeinde teil, sondern engagierte sich in einer Freimaurer- und Old-Fellow-Loge. Berthold Bing trug maßgeblich zur Realisierung des Benzinmotors von Rudolf Diesel bei und veränderte so die Welt.

Der Urgroßvater von Berthold Bing war Raw Abraham Bing (1752-1841), ab 1814 Ober- bzw. Landesrabbiner des Großherzogtums Würzburg. Aus seiner Jeschiwa gingen zahlreiche herausragende Vertreter der modernen jüdischen Orthodoxie hervor. Abrahams zwei Söhne heirateten nach Scheinfeld. Beer (Bär) Abraham Bing betätigte sich als Schriftsteller, während seine Frau einen Spezerei- und Manufakturwarenladen führte. Neben mehreren Schriften religiösen Inhalts ist auch eine sentimentale Kömodie mit dem Titel "Obed und Thürza" erhalten, die Beer Bing in deutscher und hebräischer Sprache verfasst hat. Er verstarb früh und hinterließ drei oder vier Söhne; der jüngste mit Namen Bernhard Bing (1822-1866) wandte sich dem Hopfenhandel zu. Dieses Berufes wegen zog die Familie nach Nürnberg, dem damals größten Zentrum des Hopfenhandels. Er heiratete Caroline geb. Heim (1821-1901) und zeugte mit ihr drei Söhne: Berthold, Albert und Hermann.

Als Berthold Bing am 18. Juni 1847 zur Welt kam, war sein beruflicher Werdegang vorgezeichnet. Über seine Kindheit ist wenig bekannt, er wird aber die Israelitische Elementarschule in Nürnberg besucht haben. Später heiratete er Hermine Bachmann, die Tochter des Textilfabrikanten Samuel Bachmann, und bekam mit ihr drei Kinder: Bernhard Hugo (1875-1951), Rudolf (1876-1962) und Anna verh. Loewengart (1877-1955).

Nach dem Tod seines Vaters wurde Berthold Bing mit seiner Mutter zum Eigentümer der Hopfenhandelsfirma, bis 1877 verbrachte seine Lehrjahre in Straßburg und Paris, wo er die französische Sprache perfekt lernte. Nach seiner Rückkehr erhielt er das Nürnberger Bürgerrecht. Er brachte das Unternehmen zusammen mit seinen jüngeren Brüdern in kurzer Zeit zu großem internationalem Erfolg. Unter anderem wurden in Saaz (Žatec in Tschechien) und New York City Niederlassungen eröffnet. zu seinen geshcäftspartnern und persönlichen freunden zählte Adolphus Busch in St. Louis, damals schon der größten Bierbrauer in Nordamerika und Begründer des heutigen Weltkonzerns Anheuser-Busch.

Weil der Hopfenhandel seinerzeit noch ein naturgegebenes Saisongeschäft war, blieb Berthold Bing genügend Zeit für ein politisches Engagement. So gehörte er als Vertreter des aufstrebenden jüdischen Bürgertums und des linken Liberalismus seit 1892 der Mittelfränkischen Handelskammer und von 1902 bis 1914 dem Nürnberger Magistratsrat an. Bing war Mitglied einer Freimaurer- und Odd-Fellow-Loge an. Außerdem saß er bereits seit 1906 im bayerischen Eisenbahnrat, der als beratendes Gremium großen Einfluss auf die Auswahl und Projektierung neuer Strecken hatte. Wie sein entfernter Verwandter Ignaz Bing (1840-1918) wurde auch Berthold Bing im Jahr 1910 zum Geheimen Kommerzienrat ernannt. Er erhielt den Bayerischen Micheaelsorden IV. Klasse und das Ritterkreuz I. Klasse des Königlich Schwedischen Wasa-Ordens. Als liberaler Jude nahm er hingegen nicht am religiösen Gemeindeleben teil, wenn er auch formal in der IKG Nürnberg verblieb und seine Beiträge zahlte.

Berthold Bing starb nach schwerer Krankheit 1915 in Nürnberg. Noch in den letzten Monaten seines Lebens reorganisierte er angesichts einer übereilten Kriegswirtschaft die schwierige Lebensmittelversorgung der Großstadt. Dieser große Verdienst wurde nur allzu schnell vergessen: Sein Sohn Rudolf Bing (1876-1963) vertrat nach 1933 in Nürnberg die zionistischen Interessen und musste nach dem Novemberpogrom 1938 nach Palästina auswandern. Seine Schwester Anna Löwengart hatte sich schon in den 1920er Jahren der zionistischen Bewegung angeschlossen und war 1933 nach Haifa ausgewandert.

Zu den Merkwürdigkeiten im Leben des Hopfengroßhändlers Berthold Bing gehörte seine Rolle bei der Erfindung des Automobils. Wann und bei welcher Gelegenheit er die Bekanntschaft mit Rudolf Diesel (1858-1913) machte, bleibt unbekannt. Jedenfalls galt Bings besonderes Interesse als Mitglied der Handelskammer neben der Eisenbahn dem Kanalverein, dessen Ziel ein verbreiterter Kanalbau zwischen Main und Donau war. Auf dieser Wasserstraße sollte Öl auf Tankschiffen aus Russland in das nordbayerische Industriezentrum gelangen. wo man nach einem effizienten Ersatz für die technisch überholte Dampfmaschine suchte. man wusste bereits von Diesels Experimenten in Augsburg, die jedoch nicht mehr finanziert werden konnten. In dieser schwierigen Situation stellte Berthold Bing im Jahr 1897 eine Verbindung zwischen dem Erfinder und seinem US-amerikanischen Geschäftspartner Adolphus Busch her. Busch war bereit, eine Millionen Mark in die Entwicklung des Diesel-Motors zu investieren, wobei Berthold Bing beim Zustandekommen der Verträge entscheidend vermittelte. Auch beim Patentkauf von Emanuel Nobel und den Lizenzen für Großbritannien und Schweden war Bing beteiligt. 1898 wurde in München die "Allgemeine Gesellschaft für Diesel-Motoren" gegründet, zu deren Gründungsmitgliedern und Hauptaktionären Berthold Bing gehörte. Mit dem Dieselmotor veränderte sich buchstäblich der Lauf der Welt ein jüdischer Hopfenhändler aus Nürnberg hatte entscheidenden Anteil daran.


(Patrick Charell)

Literatur

  • Rudolf Endres: Familie Bing. Fabrikanten in Nürnberg. In: Haus der Bayerischen Geschichte /Manfred Treml (Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in Bayern, Bd. 2: Lebensläufe. München 1988 (= Veröffentlichungen zur bayerischen Geschichte und Kultur 18/2), S. 173-177.

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