Zeitzeugen berichten

Marlene Wetzel-Hackspacher Heimatvertriebene, Konditormeisterin, Unternehmerin

Signatur
zz-0565.01
Copyright
Haus der Bayerischen Geschichte (Georg Schmidbauer M.A.)
Referenzjahr
1948

Im hier gezeigten Ausschnitt berichtet Marlene Hackspacher über die Gründung ihrer Oblatenbäckerei 'Wetzel Oblaten' in Dillingen 1948.

Dieser Clip ist Teil des folgenden Interviews:

Lebensgeschichtliches Zeitzeugeninterview mit Marlene Wetzel-Hackspacher, geführt am 25.11.1997 im Rahmen des Projekts Frauen in Bayern über ihre Herkunft aus dem Sudetenland, ihre Kriegserlebnisse, die Vertreibung 1946 und den familiären und beruflichen Neuanfang in Dillingen.

Biogramm

Marlene Wetzel-Hackspacher wurde 1922 in Mähren geboren, lernte den Beruf der Konditorin in Marienbad/Böhmen und erlebte 1938 den „Anschluss“ an das Deutsche Reich. 1946 wurde sie aus ihrer Heimat vertrieben, gründete jung verwitwet und mit einem kleinen Kind in ihrer neuen Heimat in Dillingen die Oblatenbäckerei „Wetzel Oblaten“. Sie war 1948 die erste Konditormeisterin in Bayern und eine der wenigen selbstständigen Geschäftsfrauen nach dem Zweiten Weltkrieg. 2019 ist Marlene Wetzel-Hackspacher in Dillingen verstorben.

GND: 104180542X

Inhalte

1922 in Mährisch-Schönberg geboren, Volksschule, Bürgerschule, mit 15 Jahren nach Marienbad, Lehre im Familienbetrieb, zwei Brüder, Schwester, Lehrherr: Schwager, einzige Frau unter lauter Gehilfen, Jugendzeit in Marienbad, Handarbeit, Backstube, Laden, "Anschluss" des Sudetenlands 1938 begrüßt, Kriegsausbruch 1939, Schwager und viele Gehilfen mussten einrücken, zusammen mit der Schwester Geschäft geführt, Knappheit der späten Kriegsjahre, 1944 geheiratet, Kind kam "unter Donnergrollen und Maschinenfeuer" zur Welt, mit Säugling in der Ackerfurche, Schießerei, Sowjets, Plünderungen, Vergewaltigungen, Hunger, Kälte, viele Selbstmorde, Erschießungen, nach zwei Tagen Ruhe, Kriegsende 1945, Anstehen für Milch und Brot, Papiere für Marienbad erhalten, weiße Armbinden, Amerikaner in Marienbad, Arbeit in der Konditorei - Vertreibung: in ein paar Stunden musste das Haus geräumt werden, Eltern, Kind, Schwester mit vier Kindern, Oblateneisen im Kinderwagen versteckt, Januar 1946, in Viehwaggons verladen, vier Tage Fahrt, Traunreut, mit Ehemann Treffpunkt in Zöschingen bei Dillingen vereinbart, erste Nacht in Dillingen im Bahnhof im Wartesaal, Herr Meitinger, Schwiegereltern in Zöschingen, Schwester mit ihren Kindern nach Bad Homburg, Oblaten gebacken, Vorurteile gegen Flüchtlinge, Einheimische teilten Essen, Bruder in Frankfurt, Flüchtlinge aus dem Osten - Betriebsgründung: Oblaten im Schürofen gebacken, Meisterprüfung bei der IHK Augsburg, zukünftiger Mann: Kreishandwerkerschaft, großer Befähigungsnachweis, theoretische Prüfung in Dillingen, Direktor Heckel, Vorprüfung in Augsburg, Meisterstück, bei Konditor Nagler in Dillingen ausgestellt, am nächsten Tag Geschäft angemeldet, Beschaffung von Zucker und Mehl, Oblatenbäckerei, Situation der Kinder nach dem Krieg, Leistung der "Trümmerfrauen", Kinder mussten mithelfen, Hineinwachsen in die Handwerkerfamilie - Privater Neubeginn, zweite Ehe im Herbst 1948, wenige Heimkehrer, Rohmaterial über Marken bezogen, wegen Strommangels nur nachts gebacken, schwierige "Markteinführung" der Karlsbader Oblaten, kein Kapital, erstes Haus, Schulden, Heirat 1948, Mann besorgte Kutsche, 1950 Geburt des ersten Sohnes, Kindergarten, 1961 Geburt des 2. Sohnes, Mithelfen der Kinder, Kindergartenreferentin - Die Berufstätigkeit der Frau in den 1950er Jahren: Haltung des Mannes, gegenseitig angetrieben, Mann der Schwester Spätheimkehrer, hatte Probleme mit deren Selbstständigkeit, zweimal Betrieb unterbrochen, schwere Krankheit und Kubakrise: Zuckermangel, Frauen Antreiber nach dem Krieg, schlechtes Gewissen wegen der Kinder, Kinder ins Geschäft reingewachsen, Urlaub ein Fremdwort, Mann war Buchhalter, forderte Buchführung, Konto durch Mann eröffnet, selbstbewusste Geschäftsführerin, Frau im Haushalt, viele Männer suchten sich eine Jüngere, Familienzusammenhalt - Die Entwicklung des Betriebes, Vertrieb, anfangs verkaufte Schlesier auf dem Fahrrad Oblaten in der Umgebung, Großhändler, zweites Unternehmen mit Kerzen, Handarbeit, in der Zwischenzeit wieder zu teuer, Oblaten als Hauptprodukt, Waffeln, Süßwaren, Personalentscheidungen bis heute selbst getroffen, Behördengänge von Mann erledigt, Finanzen, Mann als Einheimischer hatte Bekannte, gute Gesundheit - Als Geschäftsfrau im öffentlichen Leben: 18 Jahre im Dillinger Stadtrat, einzige Frau, Kindergartenreferentin, schlechtes Gewissen des Stadtrats, Konflikte entschärft, Kreisrätin, immer mit Männern zusammen von Jugend an, im Stadtrat in zahlreichen Ausschüssen aktiv, viel Arbeit, Kreistag: Umlandausschuss, Sozialausschuss, Landrat, Existenzgründung als Risiko, als Frau mehr leisten, Angst vor Fehlern, Emanzipation notwendig, Mut, Ausdauer, Auszeichnungen, Landsmannschaft, Erbe der Sudetendeutschen, Tschechen - Vertreibung als Lebensschicksal, Erinnerungen, kein Vergessen, Angst, in Tschechien keine Erinnerung, "Intelligenz hat bluten müssen", Bruder in Russland gefallen, Eltern aufgerichtet, im Kalten Krieg Gedanken: wenn es los geht, ab nach Amerika!, erneut von vorn anfangen, Angstträume, Haltung zu den Tschechen, Recht auf Heimat, Neubauer, kein Recht zur Vertreibung, Bemühung um neue Existenz.

Daten

Art:
Lebensgeschichtliches Interview
Dauer:
1:30 h
Aufnahmedatum:
25.11.1997
Sprache:
deutsch
Aufnahmeteam:

Interview: Georg Schmidbauer M.A.

Kamera: Georg Schmidbauer M.A.