Zeitzeugen berichten

Dr. Herbert Loebl Emigrant; Unternehmer; Unternehmensberater

Signatur
zz-0485.01
Copyright
Haus der Bayerischen Geschichte (Georg Schmidbauer M.A.)
Referenzjahr
1933

Im hier gezeigten Ausschnitt berichtet Herbert Loebl vom gespannten Klima in der Schule zur Zeit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten.

Dieser Clip ist Teil des folgenden Interviews:

Lebensgeschichtliches Zeitzeugeninterview mit Dr. Herbert Loebl, geführt am 06.07.1997, über seine Jugend als Jude im "Dritten Reich", seine Emigration 1938 und sein Leben in Großbritannien.

Biogramm

1923 in Bamberg geboren, Familie erfolgreicher jüdischer Geschäftsleute, 05.12.1938 nach England emigriert, Besuch der Dover Grammar School in Kent, im Zweiten Weltkrieg auf der Isle of Man interniert, anschließend Studium der Elektrotechnik am King's College in Newcastle, zunächst Angestellter in einem Ingenieurbüro, 1951 Gründung einer eigenen Firma (Joyce, Loebl & Co.), Entwicklung und Herstellung von wissenschaftlichen Präzisionsinstrumenten (u.a. Joyce-Loebl optical microdensitometer), nach dem Verkauf der Firma an einen US-Investor Vorstandsvorsitzender, 1973 Verleihung des britischen Verdienstordens, 1973 Gründung der Unternehmensberatung Enterprise North, Vermittler zwischen Forschung, Wirtschaft und Regierung, Forschungs- und Lehrtätigkeit an der Newcastle University, 1985 Promotion, 2003 Ehrendoktorwürde, 1999 Publikation "Juden in Bamberg", 2013 in Newcastle verstorben.

Für die freundliche Übermittlung von Informationen danken wir Herrn Dr. Stephan von Minden, Deisenhofen.

GND: 122999150

Inhalte

Großvater Hugo Loebl, 1881 nach Bamberg gekommen, Kaufmann für Textilwaren, dann technische Artikel, 1906 Gründung einer Großhandlung, Fabrik, Haus der Familie in der Luitpoldstraße (heute: Bahnhofstraße), neue Fabrik im Industriegebiet, Lichtenheider Straße, 1938 Zwangsverkauf "Arisierung", Exportgeschäft, Erweiterung der Fabrik 1937, falsche Sicherheit aufgrund der weiterlaufenden Geschäfte, 1923 geboren, Kindergarten, 1932 Auslandsreise in die Schweiz, 1929 bis 1933 Volksschule: Martinsschule, von 31 Schülern 12/13 jüdische Kinder, Wunsch des Vaters: L. soll Ingenieur werden, Antisemitismus der Lehrer seit den 1920ern, daher kein Besuch der Oberrealschule möglich, Besuch des neuen humanistischen Gymnasiums, liberale Schule, Protestanten, Juden, Katholiken, Frauen, Oberstudiendirektor Dr. Schäfer, Rede vor Abiturienten 1940 oder 41, moralische Prinzipien, am nächsten Tag abgesetzt, nach dem Krieg von Amerikanern wieder eingesetzt, Freund versucht Ideen der Nazis zu rechtfertigen, nach 1934 Teilnahme an Wandertagen verboten, Bank mit Aufschrift "für Juden verboten", Nazi-Lehrer, Oberstudienrat Stockmann, Musiklehrer, Parteiuniform, bittet nach dem Krieg Fred Lessing um "Persilschein", Griechischlehrer spricht über Leiden der Sudetendeutschen, unangenehm nationalistisch, nie antisemitisch, "Rassenkunde" im Biologieunterricht, Schulausschluss für Juden im Sommer 1938, Klassenleiter, Bekanntmachung des Erziehungsministeriums über Muttersprache zur Vermeidung von Fremdwörtern, vom Boykott jüdischer Geschäfte am 01.04.1933 Familienbetrieb nicht betroffen, Auswirkungen der "Nürnberger Gesetze" 1935, Köchin Babette Messingschlager musste gehen, Antrag auf Ausnahmegenehmigung abgelehnt, als Ersatz für Köchin Herrn Sulzbacher eingestellt, kleines Motorrad, Vater: Soldat im Ersten Weltkrieg, 40% kriegsbeschädigt, Arierparagraph im Deutschen Alpenverein 1933, lokale Vereine, April 1938 Lehre als Werkzeugmacher in der elektrotechnischen Firma der Eltern, Vetter Willi, 10.11.1938 brennende Synagoge, Treuhandfond in Hamburg um Gelder zu Erziehungszwecken im Ausland zu erhalten, gültiger Pass aber keine Auswanderungspapiere 06.12.1938, Reichspogromnacht, Beratung zwischen Vater und Onkel was zu tun sei, mit Orden am Mantel von der Polizei abgeholt, am selben Tag wieder frei gelassen, Kriminaloberkommissar von Bamberg Betzold, Entschluss zur Flucht nach England als einzige Möglichkeit, Bedingung dort eine Firma zu eröffnen, im Urlaub in der Schweiz 1937 englischen Rechtsanwalt mit Beziehungen kennen gelernt, Ausreise 05.12.1938 mit dem Zug nach Köln, Brüssel, Ostende, Dover, in Aachen aus dem Zug gezerrt, Stempel J im Ausweis, Durchsuchung, Abnahme des Zigarettenetuis, Uhr, am Bahnhof eingesperrt, Weiterreise, in Brüssel Freund des Vaters, Ankunft in Dover, Privatschule, Tanzabend, seltsames Essen: Cornflakes, Mittelschule in Dover, im Januar kommt Vetter, im März ältere Schwester, Englischunterricht, Eltern und jüngere Schwester kommen im Mai, kein Geld mehr für Schule, Eltern gehen nach London, Umzug nach Newcastle, bis 1937 erhielten Vater und Mutter noch Pässe für Geschäftsreise ins europäische Ausland, Förderung der Exportindustrie, Zwangsverkauf an Firma Lindner, Handelsname Hulorit, Geld auf Sperrkonten einbezahlt, nach dem Krieg Verhandlungen über Wiedergutmachung, Vater bereits tot, Gründe für Nichtrückkehr, legale Auswanderung des Vaters, Problem ein Aufnahmeland zu finden, Problem Geld mit zu nehmen, Notwendigkeit einen Pass zu bekommen, unzureichendes Grundkapital in England, Großmutter wanderte nicht aus, später von den Nazis ermordet, Mitarbeit in der Firma, zuerst als Lehrling dann als Mitarbeiter der Nachtschicht, Munition gedreht bis 1943, dann als Werkzeugmacher zu einer Flugzeugfirma in London, nach dem Krieg Studium, Sondergenehmigung für Soldaten und Kriegsarbeiter, 1940 Internierung auf der Isle Of Man, Verständnis für Flüchtlinge, Klassifizierung der Deutschen, Anerkennung als Flüchtlinge, interessante Internierungszeit, Intellektuelle, Musiker, Wissenschaftler, Schriftsteller, Franz Reitzenstein, Aufbau einer Firma in Newcastle durch den Vater, nach dem Krieg Studium am King's College, University of Durham, Studium der Elektrotechnik, 1949 Diplom, Arbeit bei elektrotechnischer Firma, eigenes Unternehmen aufgebaut und später verkauft, 1958 Ausstellung von Geräten auf der Achema in Frankfurt, Frau hat die ganze Familie im Holocaust verloren, eigene Nachforschungen nach dem Verkauf der Firmen, Geschichte der Familie, Geschichte der Bamberger Juden, Bundesverdienstkreuz, Kinder leben in Israel, Vortrag an der Universität Newcastle, "Kollektivschuld der Christen, nicht der Deutschen", kollektives Leiden der Juden, Kindheit: Faschingsfeiern, Papiermodelle, Basteln, Geburtstage, Kirchweih, "Beiträge zum Bamberger Volksblatt" von Christian Pfau, Stadtführer mit zehn Jahren, normales Leben bis 1933, Glaskästen des "Stürmer", HNO-Probleme, Sommer am Meer in Belgien und Holland, Auswandern nach 1937 war Flucht, im Urlaub von ausgewanderten Juden angepöbelt weil L. und Familie noch in Deutschland waren, Bedeutung von "Heimat", Dr. Karl-Heinz Mistele, Heimatgefühl für Bamberg, Heimat in England, jüdischer Beitrag zur deutschen Kultur nach dem Krieg, Umschwung zum Industriestaat im 19. Jahrhundert, Schattenseiten für die Juden verantwortlich gemacht wurden, Antisemitismus, Aufbau von Industrie, Entwicklung in Bamberg, Zwiebeltreter, Fürstbistum Bamberg, Hopfenindustrie, Eisenbahn, Israel als Fluchtort für die Juden, Jüdische Gemeinde Bambergs: 1813 39 Familien, liberaler Rabbiner, deutsche Predigt, Zuwanderung traditionsgebundener Juden aus dem Umland, neue Synagoge 1910 fertig gestellt, größter Spender Bankier Emil Wassermann, orthodoxe Gemeinde entsteht 1911, Flüchtlinge aus Galizien und dem Osten, russische Pogrome, liberale sehen Juden als Religionsgemeinschaft nicht als Volksgemeinschaft, Mehrheit nicht zionistisch, zionistische Vorträge im jüdischen Gemeindehaus verboten, Vater: traditionsgebunden, Jugendvereine, Jugendbünde, jüdische Studentenverbindungen, Mitglied im Bund Deutsch-Jüdischer Jugend, zionistische Jugendverbände Haluz, Vorträge, Gemeindewahl, liberale Schule, freundliches Verhalten gegenüber Juden von bestimmten Personen, Adlige, Gemeindevorstand Justizrat Dr. Josef Werner, Thronfolger von Sachsen, von Egloffstein, von Lerchenfeld, Vetter Werner.

Daten

Art:
Lebensgeschichtliches Interview
Dauer:
1:30 h
Aufnahmedatum:
06.07.1997
Sprache:
deutsch
Aufnahmeteam:

Interview: Georg Schmidbauer M.A.

Kamera: Georg Schmidbauer M.A.