Atlas zum Wiederaufbau

Lindau

In Lindau waren vor allem Bahnflächen von Bombenabwürfen betroffen. Am 29.04.1945 wurde der „Volkssturm“ aufgelöst, an den Folgetagen besetzten französische Truppen kampflos die Stadt. Die Bevölkerung wuchs stark an, 1960 waren 18% der etwa 24.000 Einwohner Heimatvertriebene. Mithilfe der gemeinnützigen Wohnungsbau-Gesellschaft konnten Siedlungsbau-Projekte in den Stadtteilen realisiert werden.

Angriffe

• 16. Februar 1945: Tieffliegerangriff auf eine Lokomotive bei Lindau-Schönau
• 08. April 1945: britisches Aufklärungsflugzeug fotografiert das Bahnhofsgelände Reutin
• ab 22./23. April 1945: insgesamt 4 Tieffliegerangriffe auf das Reutiner Bahnhofsgelände

Tote und Verletzte

• durch Luftangriffe ab 22. April 1945: 10 Tote und mehrere Verletzte

Schäden

• durch Tieffliegerangriff am 16. Februar 1945: Bombenschäden im Ortsteil Heimesreutin
• durch 4 Tieffliegerangriffe ab 22. April 1945: Schäden im Raum des Güterbahnhofs Reutin
• durch Beschuss eines französischen Panzers durch deutsche Soldaten am 30. April 1945: Beschädigung von Häusern im heutigen Ortsteil Zech

Kriegsende

• seit 06. November 1944: Planungen eines Wehrmachts-Sonderstabs unter Major Kolb den Raum Lindau als Teil einer "Bodenseestellung" festungsähnlich auszubauen:
 - Beginn des Befestigungsbaus am 03. Januar 1945 mit täglich 600 bis 1.800 Arbeitskräften
• dementgegen Initative einer Gruppe um Jörg Rhomberg, Karl Bachmann und Dr. Rudi Fetzer, Lindau zur offenen Lazarettstatt erklären zu lassen
 - etwa ab Februar 1945: Errichtung mehrerer Lazarette in Lindau und Aufnahme zahlreicher Verwundetentransporte, insbesondere aus Breslau und Oberschlesien
• 24. April 1945: erhebliche Verringerung der in Lindau stationierten Wehrmachtstruppen durch deren Eingliederung in die Kampfgruppe "Feldherrnhalle" durch Generalfeldmarschall Kesselring
• 29. April 1945:
 - Auflösung des Volkssturms in Lindau
 - Auflösung der Kampfgruppe "Feldherrnhalle" bei Sonthofen nach Gefecht mit französischer Panzerdivision bei Biberach (25./26. April) und anschließendem Rückzug
 - Entwaffnung letzter in Lindau verbliebener Truppenreste durch die Kampfkommandanten von Lindau und Friedrichshafen
 - Kampfhandlungen im letzten Moment verhindert durch Mitteilung des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes in Genf an vorrückende französische Truppen, dass Lazarettstatt Lindau kampflos übergeben werde
• 30. April 1945:
 - Sprengung der beiden Leiblachbrücken auf Lindauer Gebiet durch die SS
 - Sprengung einer der beiden Hangnachbrücken durch die SS
 - Lindau-Stadt kampflos von französischen Truppen besetzt
 - französischer Panzer im heutigen Ortsteil Zech durch Wehrmachtsangehörige in Brand geschossen (Beschädigung umliegender Häuser)
• 30. April/01. Mai 1945: französischer Artilleriebeschuss auf Reste der im benachbarten Bregenz verschanzten SS

Ausgangslage

Einwohnerzahlen:
1939: 15.766
1946: 17.915
1955: 21.808
1961: 24.187
1968: 26.083
Flüchtlinge und Heimatvertriebene:

• Zwangsarbeiterlager in Lindau 1945:
 - Kamelbuckelbrücke: 770 Personen
 - Bodolz: 115 Personen
 - Schlachters: 135 Personen
 - zudem größere Anzahl von Zwangsarbeitern auf den Bauernhöfen untergebracht
 - Außenstelle des KZ Dachau im Ortsteil Biesings bei Schlachters (heute zu Sigmarszell)
• seit 05. April 1945: stark ansteigende Flüchtlingszahlen in Lindau
• Einrichtung eines Flüchtlingslagers im Militärlager Siebertsdorf
• Anteil der Flüchtlinge in der Gesamtbevölkerung Lindaus:
 - 1947: 7,7%
 - 1949: 8,3%
 - 1950: 13,5%
 - 1951: 14%
 - 1960: 18%
• 13. September 1950: 3.124 Heimatvertriebene (20.308 Einwohner insgesamt)

Wiederaufbau

Umsetzung:

• ab 30. April 1945: behelfsmäßiger Wiederaufbau der zerstörten Brücken durch französische Pioniere und Arbeiter von Dornier-Rickenbach und Escher-Wyss
• 1948:
 - Bekämpfung der Wohnungsnot durch Bauprogramme der gemeinnützigen Wohnungsbau-Gesellschaft
 - Schwerpunkt des Wohnungsbaus: Stadteile Lindau-Zech, Lindau-Reutin und Lindau-Aeschach
• 1952/1953: Baubeginn für neues Berufschulgebäude
• 1955/1956: nach Ende der französischen Besatzung Wiedereingliederung Lindaus nach Bayern
• 1960 Forschungsinstitut Wankel mit Sondergenehmigung in einem Uferschutzgebiet (Fraunhoferstr. 10) errichtet (seit 1997 unter Denkmalschutz)

Literatur

BACHMANN, Karl: Chronologische Geschichte Lindaus - von den Anfängen bis zur Gegenwart, Weiler im Allgäu 2005, S. 72 - 82.
BACHMANN, Karl: Die Hintergründe der Rettung der Stadt Lindau am Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahre 1945, in: Neujahrsblatt des Museumsvereins Lindau Nr. 29, Lindau 1985, S. 15 - 24.
HARPF, Christa: Die Stunde Null in Lindau. Eine Dokumentation über die letzten Kriegswochen, die französische Besetzung der Stadt und über das Kriegsgefangenenlager im Kolonnenhaus des Roten Kreuzes, Lindau 1984.
KURZ, Andreas: Bevölkerungstand und Bevölkerungsentwicklung, in: Daheim im Landkreis Lindau, Lindau 1994, S. 274 - 277.
KURZ, Andreas: Jahrbuch des Landkreises Lindau, Lindau 1995.
MÜLLER, Günther: Stadt Lindau (Bodensee), München 1971, S. 36 f.
NERDINGER, Winfried (Hrsg.): Architektur der Wunderkinder. Aufbruch und Verdrängung in Bayern 1945-1960, Salzburg / München 2005, S. 240.
SCHWEIZER, Karl: „Vor seinem Abgang hinterließ er noch einen Befehl…“ Ende des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges in Lindau 1945, in: Montfort. Vierteljahrsschrift für Geschichte und Gegenwart Vorarlbergs 47 (1995), S. 231 - 243.
STATISTISCHES JAHRBUCH FÜR BAYERN 1952. Hrsg. vom Bayerischen Statistischen Landesamt, München 1952, S. 500.
STATISTISCHES JAHRBUCH FÜR BAYERN 1955. Hrsg. vom Bayerischen Statistischen Landesamt, München 1955, S. 18.
STATISTISCHES JAHRBUCH FÜR BAYERN 1969. Hrsg. vom Bayerischen Statistischen Landesamt, München 1969, S. 19.
STAUDER, Heiner: Weiß-blau unter der Trikolore. Die Sonderentwicklung von Stadt und Landkreis Lindau als Teil der französischen Besatzungszone (1945 - 1955), in: Schönere Heimat 92 (2003), 2, S. 89 - 94.

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