München, St. Kajetan


 

GESCHICHTE

München, St. Kajetan – Hofkirche und Grablege der Wittelsbacher

 

 

Bischof Giampietro Carafa von Theatinum (heute: Chieti), der spätere Papst Paul IV., gründete zusammen mit dem hl. Kajetan von Thiene im Jahr 1524 in Rom den Orden der Theatiner. Es handelte sich um die neue Kongregationsart der Regularkleriker (das sind Geistliche einer katholischen Ordensgenossenschaft ohne feste Klosterregel und Chorgebet), die auch für die wenig später gegründeten Jesuiten zum Vorbild werden sollten. Der Orden wurde schon nach wenigen Wochen von Papst Clemens VII. anerkannt und breitete sich schnell in ganz Italien aus. Seine Mitglieder stammten meist aus sehr guter Familie. Sie waren hoch gebildet, vertraut mit den höfischen Sitten und überzeugten durch rhetorisch brillante Predigten. Den Sinn für das eindrucksvolle religiöse Zeremoniell wussten die Theatiner mit einer Seelsorge zu verbinden, die weniger auf asketische Strenge zielte als auf die Förderung der christlichen Nächstenliebe, die Sorge für die Armen und die Vermehrung kirchlichen Glanzes. Als Tracht wählten die Theatiner den schwarzen Talar. Ihre Ordensregeln verbieten jede Art von Einkünften; auch das Betteln ist ihnen untersagt. Zusammen mit den Jesuiten wurde der Theatinerorden zu einer der wichtigsten Reformkräfte in der katholischen Kirche. Es existierten nur drei Klöster dieses Ordens im deutschsprachigen Raum: in München, Salzburg und Wien.

Das bayerische Kurfürstenpaar Ferdinand Maria (1636–1679) und Henriette Adelheid von Savoyen (1636–1676) berief die Theatiner 1662 nach München. Der Legende nach erfüllten sie damit ein Gelübde, da die Kurfürstin auf Anrufung des hl. Kajetan nach siebenjähriger Ehe endlich den ersehnten Sohn gebar. Die Patres kamen unter der Leitung Pater Antonio Spinellis nach München. Aus seinen Tagebüchern sind wir detailliert über alle Vorkommnisse bis zu seinem Tod 1705 informiert. Direkt gegenüber der kurfürstlichen Residenz am Odeonsplatz stifteten die Regenten dem Orden Konventsgebäude mit einer weitläufigen Gartenanlage sowie die prächtige Theatinerkirche St. Kajetan, die zur Hofkirche und Grablege der Wittelsbacher bestimmt wurde. Kloster und Residenz verband ein unterirdischer Gang. Das Gotteshaus wurde von Agostino Barelli 1663 nach dem Vorbild der römischen Mutterkirche Sant’Andrea della Valle geplant. Nachdem P. Antonio Spinelli jedoch einen eigenen Entwurf für die Kuppel durchsetzte, agierte ab 1674 Henrico Zucalli als Baumeister. 1675 erfolgte die glanzvolle Einweihung mit einem siebentägigen Festprogramm. Die Türme waren 1696 vollendet. Die schlichte Fassade wurde ab 1765 nach Plänen von Francois Cuvilliés d. Ä. aufwändig gestaltet. Da dieses Bauwerk vor allem der fürstlichen Repräsentation zu dienen hatte, wurde es mit Stiftungen reich bedacht und verfügte über eine Vielzahl an Andachts-, Bet- und Bußmöglichkeiten (Heiliges Grab, Heilige Stiege, Loretokapelle). Die Theatinerkirche besaß auch die meisten Ablässe aller Münchner Gotteshäuser.

Bald nach der Gründung der Münchner Niederlassung traten die ersten Novizen aus dem bayerischen Adel in das Kloster ein. Zwischen St. Kajetan und Hof gab es einen regen Austausch. Den Theatinern war eine exklusive Gemeinschaft von adeligen Tertiarinnen angegliedert, die sich Theatinerinnen nannten. Es handelte sich um einen lockeren Verbund, dessen Mitglieder kein gemeinsames Leben führten. Aus gesellschaftlichen Gründen war die Mitgliedschaft bei den adeligen Damen sehr begehrt. Kurfürstin Henriette Adelheid war deren erste Vorsitzende. In der Folgezeit erlangte der Orden großen Einfluss am kurfürstlichen Hof; zum Nachteil der Jesuiten, die unter Herzog Albrecht V. (1528–1579) und seinen Nachfolgern eine wichtige Rolle gespielt hatten. Die Theatinerpatres erhielten nun die Ämter der Hofbeichtväter und Kabinettsprediger übertragen. Vor allem Don Antonio Spinelli fiel eine wichtige Vertrauensstellung zu. Er nahm nicht nur Kurfürstin Henriette Adelheid die Beichte ab, sondern auch ihrer ältesten Tochter Maria Anna Christina, bevor diese Dauphine von Frankreich wurde, sowie Kurprinz Max Emanuel. Den Blauen Kurfürsten begleitete der rührige Spinelli auf allen seinen Ungarnfeldzügen. Die Theatiner setzten gegen den Widerstand der Jesuiten auch die Erhebung ihres Ordensstifters St. Kajetan zum Landespatron und Patron des kurfürstlichen Hauses durch.

Im Lauf des 18. Jahrhunderts verloren die Theatiner dann an Bedeutung. Andere Orden, wie zum Beispiel die Benediktiner und die Augustiner-Chorherren, liefen ihnen auf dem Gebiet der Wissenschaften und Künste den Rang ab und vermittelten neue Formen der Frömmigkeit. 1749 kam es auf Anregung der Kaiserin-Witwe Amalia und unter dem Protektorat des Kurfürsten Maximilian Joseph III. von Bayern, der ein besonderer Verehrer der hl. Cäcilie war, zur Gründung der Cäcilienbruderschaft von St. Kajetan. Diese Vereinigung sollte die katholische Kirchenmusik auf breiter Basis fördern und insbesondere qualitätvolle musikalische Aufführungen in St. Kajetan gewährleisten. Namhafte Musiker und Mitglieder des Hochadels, der Beamten- und Bürgerschaft gehörten dieser Bruderschaft an, die bis 1949 bestand. Das Kloster besaß auch eine beachtliche Bibliothek. Sie fiel jedoch im Jahr 1771 einem Brand zum Opfer. 1792 gehörten noch 23 Theatiner zur Gemeinschaft. Im Oktober 1801 wurde das Kloster aufgehoben. Die Kirche blieb weiterhin als Hofkirche erhalten. In die Klostergebäude zog vorerst das Justizministerium ein. König Ludwig I. (1786–1868) hatte jedoch den Wunsch, ein eigenes Hofstift nach dem Vorbild des Liebfrauenstifts zu errichten. 1839 installierte deshalb Papst Gregor XVI. hier das neue Kollegiatstift zum hl. Kajetan, eine Vereinigung von Weltpriestern. König Ludwig I. ließ die Anlage in sein ehrgeiziges Stadterweiterungsprojekt um die Ludwigsstraße einfügen. Zusammen mit der Residenz, dem Hofgartenportal und der Ruhmeshalle bildete die Theatinerkirche nun einen quasi römischen Prospekt an der Einmündung der neuen Prachtstraße. 1864/65 musste die nordwestliche Seitenkapelle einer Grabkapelle für König Max II. Joseph weichen. Als letzter Monarch stiftete Prinzregent Luitpold 1901 Glasfenster für die Kirche. Da der Nachwuchs im Kollegiatstift fehlte, wurde die Theatinerkirche ab 1954 der Dominikanerprovinz St. Albert von Süddeutschland und Österreich zur seelsorglichen Betreuung anvertraut. Im Zweiten Weltkrieg erlitten die Gebäude 1944 schwere Schäden. Die Wiederherstellung erfolgte bis 1955. In den ehemaligen Klostertrakten befinden sich heute Ministerien und Läden. Die Theatinerkirche St. Kajetan mit ihren hochbarocken römischen Bauformen, dem reichen Stuckdekor, den bedeutenden Kunstwerken deutscher und italienischer Meister des 17. und 18. Jahrhunderts und den Grabmälern der kurfürstlichen Familie gehört jedoch noch immer zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Stadt München.

 

 

Christine Riedl-Valder

 

 

 

www.theatinerkirche.de

 

 

 

 

 



 

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