Tittmoning, Allerheiligen


 

GESCHICHTE

Tittmoning, Allerheiligen ? vom Eremitenkloster zum Gefängnis

Für die deutschsprachigen Klöster der Augustinereremiten war 1299 die Zusammenfassung in vier Ordensprovinzen verwirklicht worden. Neben der niederrheinischen oder kölnischen gab es fortan die rheinisch-schwäbische, die sächsisch-thüringische und die bayerische Provinz. Teil der bayerischen Ordensprovinz waren Ober- und Niederbayern, die Oberpfalz, die fränkischen Klöster in Kulmbach, Nürnberg und Windsheim, alle Niederlassungen in Österreich, der Steiermark, Kärnten und Böhmen sowie in Mähren, Schlesien und Polen bis weit nach Rußland hinein. Allerdings gehörten die fränkischen Konvente in Königsberg, Münnerstadt und Würzburg zur sächsisch-thüringischen und die Ordensniederlassungen in Lauingen und Pappenheim zur rheinisch-schwäbischen Provinz. Im Lauf der Zeit verselbstständigten sich die außerbayerischen Gebiete, seit 1547 existierte eine eigene polnische, seit 1578 eine eigene steirisch-kärntnerische Ordensprovinz, 1604 entstand die österreichische, 1680 schließlich eine eigene salzburgisch-tirolische Provinz.

Auf dem Boden der neuen salzburgisch-tirolischen Provinz gründete der Salzburger Fürsterzbischof Maximilian Gandolf Graf von Kuenberg in Tittmoning eine Niederlassung der Augustinereremiten. Am 9. Oktober 1681 wurde der Grundstein für Kloster und Kirche gelegt, schon im August 1683 konnten Kirche und Altäre durch den Fürsterzbischof geweiht werden. Eine Inschrift über dem Hauptportal informiert den Besucher über Weihedatum und Patrozinium zu Ehren der Heiligen Dreifaltigkeit, der Gottesmutter Maria und aller Heiligen. Beim Hofbaumeisteramt lag die Verantwortung für Planung, Ausführung und Finanzierung des Bauvorhabens unter Leitung des Flamen Bartholomäus van Opstal. 1683 war freilich die Inneneinrichtung der Kirche bei weitem noch nicht abgeschlossen, sie zog sich ? glaubt man einer Jahreszahl am rechten Chorpfeiler ? bis 1707 in die Länge. Dafür blieb sie bis heute erhalten und präsentiert sich dem Betrachter nach einer umfassenden Renovierung 1983 wieder vollends im Zustand des 17. bzw. 18. Jahrhunderts.

Heute wie damals tritt man in einen breiten vierjochigen Saalbau mit rechteckigen Fenstern und einem Tonnengewölbe. Ionische Kapitelle schließen die stark betonten Wandpfeiler ab. Eher zurückhaltend ist die Stuckdekoration. Ein Chorbogen trennt Langhaus und Chor, der Chor selbst ist jedoch nicht eingezogen. Unter dem Chor befinden sich in der Gruft die letzten Ruhestätten von 48 Klosterangehörigen. Mächtig beherrschen der Hochaltar und die Seitenaltäre das Kircheninnere. Augustin Walch, ein Augustiner, der ansonsten als Künstler nicht weiter in Erscheinung trat, verlieh dem Altar die für das Erzstift Salzburg typische schwarz-goldene Fassung. Verantwortlich für die Altarentwürfe war wohl Meister Bartholomäus van Opstal selbst. Der Salzburger Hofmaler Christoph Lederwasch gestaltete das Hochaltarblatt. Es zeigt die Engelschöre und Heiligen in der Anbetung Gottes.

Rechts und links vom Hauptaltar stehen farbig gefasste Figuren der Heiligen Augustinus und Monika. Ein Ausstattungsstück darf nicht unerwähnt bleiben: der in Form eines Wandaltars konzipierte Tabernakel. Er entstand 1760 und ist in den Seitennischen drehbar. Somit ist es möglich, in der Fastenzeit die Leidensszenen Christi, an den Festtagen die Figuren von Moses, Aaron, Petrus sowie einem Ordensheiligen und während des restlichen Jahres vier Verehrungstafeln mit jeweils 13 Heiligenreliquien zu präsentieren. Seitlich integriert in den Hochaltar liegen die Eingänge zur Sakristei. Über der Sakristei befindet sich das Oratorium bzw. der Psallierchor mit vollständig erhaltenem Chorgestühl. Zwei Fenster verbinden Altarraum und Psallierchor.

Für das Jahr 1730 überliefert ein Stich von Johann Matthäus Steidlin den Bauzustand: Man erkennt die Kirche mit anschließendem Kloster sowie den Südtrakt nebst Klostergarten mit Springbrunnen und Pavillon. Dreißig Jahre später wurde die Klosteranlage um einen Westtrakt erweitert.

1803 wurde das Erzstift Salzburg säkularisiert, Tittmoning stand von 1803 bis 1805 unter Verwaltung des Großherzogs Ferdinand von Toskana, war von 1805 bis 1809 österreichisch, ging 1809 in französische, 1810 provisorisch und 1816 endgültig in bayerische Verwaltung über. Ergebnis für das Kloster der Augustinereremiten in Tittmoning war die Aufhebung 1806. In den Jahren 1807 bis 1822 wurden die Klostergebäude teilweise als Kaserne, 1823 bis 1930 als Gefängnis genutzt und gingen 1935 in Privatbesitz. Den Westtrakt und die Klosterbrauerei brach man 1854 ab, der östliche Teil des Klosters gelangte in den Besitz der Stadt Tittmoning. Die Stadt nutzte die Räumlichkeiten für schulische Zwecke und richtete schließlich einen Kindergarten und das Haus des Gastes darin ein.

(Laura Scherr)



 

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