Freising, St. Paul


 

GESCHICHTE

Ein Stift zur Wahrung des feierlichen Chorgebets

 

Der Freisinger Bischof Konrad I. von Tölz (Regierungszeit 1230?1258) errichtete im Jahr 1251 in seiner Domkirche ein Priesterstift für vier Domvikare. Sie waren verpflichtet, regelmäßig am Chorgebet teilzunehmen und täglich eine Messe für den Bischof zu lesen. Eine Urkunde aus dem Jahr 1371 nennt sie die ?4 Selmesser auf dem Tum [Dom] zu Freysing?. Der Grund für die Stiftung lag darin, dass damals von den dreißig Kanonikern an der Domkirche stets nur vier oder fünf zum Gottesdienst erschienen und die übrigen Domherren sich auf eine päpstliche Ausnahmegenehmigung beriefen. Das neue Stift sollte diese liturgischen Missstände auffangen. Die vier Chorherren wurden ?Kanoniker von St. Paul? oder kurz ?Pauliner? genannt. Unter den Kollegiatstiften in Freising nahmen sie eine Sonderstellung ein, da ihnen die Eigenständigkeit fehlte. Das Stift St. Paul war sehr klein und nur schwach ausgestattet. Es hatte keine eigene Kirche, keine eigenen Statuten und auch keine eigene Chorkleidung. Der Paulusaltar im südlichen Seitenschiff des Freisinger Doms war sein Stiftsaltar. Die Kanoniker bildeten zwar ein eigenes Kapitel; es gab jedoch keinen Propst oder Dekan, sondern nur einen Senior. Die ?Pauliner? blieben stets dem Domkapitel inkorporiert. Dadurch hatte der Dompropst das Vergaberecht der Pfründe und die allgemeine Jurisdiktion über die Mitglieder. Auch die gesamte Verwaltung des Stifts lag beim Domstift. Vergleichbare ?Dom-Annexstifte? gab es an den Domkirchen von Augsburg (St. Gertraud) und Eichstätt (St. Willibald). Die Anzahl der ?Pauliner? wurde später auf drei reduziert. Sie verfügten über selbstständige Besitzungen. Zum Stift gehörten vier Benefizien im Dom. Einnahmen und Ausgaben blieben stets bescheiden, aber ausgeglichen. Im Jahr 1802 wurde das Stift St. Paul wie die meisten anderen Kollegiatstifte im Zuge der Säkularisation aufgehoben. Die drei letzten Chorherren erhielten eine Jahrespension.

 

Christine Riedl-Valder



 

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