Jüdisches Leben
in Bayern

Ottensoos Synagoge

Die frühen Gottesdienste wurden in Privathäusern gefeiert. Die erste frei stehende Synagoge wurde 1686 erbaut. Das rechteckige, massiv ausgeführte Bauwerk nahm fast die ganze Breite des Grundstücks ein. Über die Fassadengestaltung ist nichts bekannt. Der annähernd quadratische Betsaal im Osten wurde durch eine ungewöhnlich massive Bima dominiert, um die sich entlang der Wände die 32 Stehpulte der Männer gruppierten. Der Eingang befand sich mittig in der Westwand gegenüber dem Toraschrein. Auch die 27 Stände der Frauenabteilung im Obergeschoss verteilten sich entlang der Wände, der Zugang zur Empore und zu einem Ritualbad im Keller erfolgte über eine Treppe im Süden. Diese Details stammen von zwei Bauskizzen aus dem 18. Jahrhundert und können auch einen nachträglichen Umbau zeigen.

Im Jahr 1844 wurde die Synagoge grundlegend renoviert und der reformierten Synagogenordnung angepasst. Weitere Reparaturen am westlichen Giebel der Synagoge fielen 1864 an, sie kosteten die Gemeinde 650 Gulden. An der Südseite wurde 1869 ein Schulgebäude mit Lehrerwohnung angebaut. Im großen Dorfbrand von 1871 fielen die Schule und das Gotteshaus den Flammen zum Opfer; nur ein gewölbter Kellerraum hat sich bis heute erhalten, ursprünglich wohl ein Vorraum der Mikwe.

Für den Neubau wurde 1872 der alte L-förmige Grundriss übernommen: Im Norden lag die Synagoge in östlicher Ausrichtung, der Betsaal wurde von jeweils drei hohen Rundbogenfenstern erhellt. Daran schloss sich das längliche Schulgebäude an. Das Bauwerk aus regionalem Sandstein war nicht protzig, aber hatte durch einen dekorativen Fries entlang der Traufe und Aufsätze am Dachgiebel einen repräsentativen Charakter. Der Haupteingang lag an der Ostseite des Wohn- und Schultrakts. Von dort gelange man an eine zweiläufige Treppe und in den Unterrichtsraum für rund dreißig Kinder. Im Obergeschoss befand sich der Eingang zur Frauenempore in der Synagoge, die drei Seiten des Raumes einnahm. Daneben lagen die Lehrerwohnung und ein größerer Raum, der wahrscheinlich als Gemeindesaal diente.

Nach dem Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge kaum noch genutzt. Die Kommune erwarb bereits am 17. November 1938 das ganze Anwesen und richtete im Schultrakt Wohnungen ein. Nach Kriegsende wurden im Gebäude Flüchtlinge untergebracht, die weitere Holzteile aus der Ausstattung verheizen mussten. Durch einen Vergleich mit der JRSO im Jahr 1952 blieb das ehemalige Gotteshaus das offizielle Eigentum der Kommune Ottensoos. Im Betsaal wurde später eine Zwischendecke eingezogen, durch die er seine Struktur eines Saalbaus verlor. Allerdings hat sich die originelle Lamellenkonstruktion des Dachstuhls erhalten, die im Dachraum noch immer offen sichtbar ist. Weil sie 1953 als einsturzgefährdet galt, wird die Dachkonstruktion durch nachträglich eingestellte Stuhlwand unterstützt, angefertigt aus den Holzbalken der ehemaligen Frauenempore. Die Synagoge wurde in den Bayerischen Denkmal-Atlas aufgenommen. Nach einer jahrzehntelangen Nutzung als Kindergarten und Wohnhaus standen 2009 fast alle Räume leer. Ab 2010 wurde das Gebäude durch den Freundeskreis Ehemalige Synagoge Ottensoos e.V. renoviert und steht für kulturelle Veranstaltungen offen.

Bilder

Adresse / Wegbeschreibung

Dorfplatz 5, 91242 Ottensoos

Literatur

  • Barbara Eberhardt / Cornelia Berger-Dittscheid: Ottensoos. In: Wolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. 2: Mittelfranken. Erarbeitet von Barbara Eberhardt, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Angela Hager unter Mitarbeit von Frank Purrmann und Axel Töllner mit einem Beitrag von Katrin Keßler. Lindenberg im Allgäu 2010, S. 506-521.