Jüdisches Leben
in Bayern

Hüttenbach Gemeinde

Mitte des 14. Jahrhunderts sollen erstmals jüdische Familien in Hüttenbach gelebt haben, nachweisbar sind sie zumindest vereinzelt ab 1431. Belege aus dem 16. Jahrhundert sind rar, doch ist davon auszugehen, dass jüdische Familien in dieser Zeit dauerhaft in Hüttenbach gelebt haben. Im Jahr 1532 wurde der Ort – wie das nahe gelegene Forth – in seiner Herrschaft aufgeteilt. Daher gab es bis zur Säkularisation sowohl Juden unter dem Schutz der Lochner von Hüttenbach, ab 1662 der Patrizierfamilie Tucher, und andererseits Rothenbergische, die ab 1698 zum Kurfürstentum Bayern gehörten.

Für die Herren von Lochner waren die Abgaben der jüdischen Ortsbewohner eine willkommene Einnahmequelle, was dazu führte, dass nach dem Dreissigjährigen Krieg die Zahl der jüdischen Familien auf ihrer Seite kontinuierlich zunahm. Zeitweise stellten sie die Hälfte der Bevölkerung. Die Gemeinde hatte stets einen eigenen Vorsänger, der auch „Reber“ genannt wurde, und gehörte zum Rabbinatsverband „Aschpah“, der neben Hüttenbach auch Schnaittach mit seinem Friedhof, Ottensoos und Forth umfasste. 1770/71 mussten die Tucherschen Juden einen zusätzlichen kurbayerischen Schutzbrief erwerben. 

Nach der Eingliederung in das Königreich Bayern nennt eine Aufzählung acht königliche und 64 patrimoniale jüdische Schutzfamilien, die neben einer Synagoge auch über ein Gemeindehaus verfügten. Sie lebten hauptsächlich vom Handel, wobei es große soziale Unterschiede gab: Vielen wohlsituierten Familien stand eine noch größere Zahl armer Gemeindemitglieder gegenüber. 1827 wurde die Religionsschule in ein eigens errichtetes Gebäude verlegt (Burkhardgasse 3) und im Jahr darauf zu einer „combinierten] jüdische[n] Volks- und Religionsschule erweitert. Mit den neuen Hygienevorschriften von 1829 mussten die Gemeinde-Mikwe und ein privates Ritualbad im Haus Rosenthal schließen. Dafür errichtete die Gemeinde bis zum 20. Juli „auf dem Platz wo der Backofen des Hirsch Rain stand“ ein Warmwasser-Badehaus.

Aus dem Jahr 1832 ist eine polizeiliche Untersuchung überliefert, weil dem Patrimonial-Gerichtsdiener Kaspar Stoll in der Nacht auf den 15. Oktober in vier jüdischen Häusern nächtliche Unruhe aufgefallen war: „Ob es Gebet oder anderes Geschrey war, will ich nicht unterscheiden“. Es handelte sich um die Zusammenkunft dreier religiöser Vereine mit jeweils knapp 30 Mitgliedern, die bei dieser Gelegenheit erstmals aktenkundig wurden: Die 1735 gegründete Chevra Bikur Cholil (Karitative Gesellschaft), die Chevra Kaddischa (Neue Gesellschaft) und die alte Chevra von 1818. Weil sie nicht angemeldet und alle „heimlichen Zusammenkünfte unter dem Vorwand des häuslichen Gottesdienstes“ verboten waren, löste die Regierung von Mittelfranken am 5. Juli 1832 alle drei Vereinigungen auf. Die Synagoge jedoch war zu Beginn der 1840er Jahre so beengt und baufällig, dass sie 1844 durch einen Neubau ersetzt wurde. Nach über 50jähriger Dienstzeit ging der jüdische Volksschullehrer Isak Bernhard Lamm (1804-1882) im Sommer 1881 in Pension. Ihm folgte Jakob Massenbacher, der bis 1919 – nicht immer konfliktfrei – als Schullehrer, Schächter und Vorsänger amtierte. Zeitgleich entstanden die Pläne für ein neues Schulhaus, dass wohl noch im selben Jahr an derselben Stelle wie das alte Gebäude errichtet wurde. Neben dem Klassenzimmer im Obergeschoß enthielt es einen heizbaren Gemeindesaal und die Lehrerwohnung.

Wie in den meisten fränkischen Landgemeinden schrumpfte auch die Hüttenbacher Kultusgemeinde ab dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts. Lebten 1880 noch 134 Jüdinnen und Juden im Ort, waren es im Jahr 1900 nur noch 89. Bis 1925 halbierte sich die Zahl erneut auf 41. Trotzdem gab sich die Hüttenbacher Kultusgemeinde neue Statuten, die nach der einigen Änderungswünschen des Hersbrucker Bezirksamts am 1. Januar 1907 in Kraft traten. Davon abgesehen geriet sie durch den fortlaufenden Mitgliederschwund in zunehmende finanzielle Bedrängnis und musste 1911 den bayerischen Staatsfonds für hilfsbedürftige israelitische Kultusgemeinden in Anspruch nehmen. Die Pensionierung des Lehrers Massenbacher im Jahr 1919 diente als Gelegenheit, um die jüdische Schule zu schließen. Die Kinder gingen von nun an wieder in die Ortsschule, dafür wurde am 22. Juni der Schulamtsassessor Nathan Niedermann eingestellt, der als neuer Schächter und Vorsänger auch den Religionsunterricht erteilte. Das gute Zusammenleben von Christen und Juden in Hüttenbach betonte der Tourismusbeauftragte Hugo Burkhard (1899-1971) in vielen seiner Geschichten und Anekdoten.

Die NSDAP konnte sich bis 1933 in Hüttenbach nicht etablieren, Propagandaveranstaltungen scheiterten. Nach der Machtübernahme änderte sich die Lage jedoch schlagartig. Repressalien und persönliche Schikanen bewegte viele Hüttenbacher Juden zur Aus- und Abwanderung. Jene, die im Ort ausharrten, wurden in der Pogromnacht auf den 10. November 1938 zwar nicht wie sonst üblich verhaftet, es flohen jedoch sechs der verbliebenen zwölf Gemeindemitglieder und kehrten nicht zurück. Binnen Monatsfrist zwangen das Regime auch die restlichen Juden zur Abwanderung. Die Kultusgemeinde war endgültig erloschen.

Am 23. Februar 1951 ging das Schulhaus durch einen Vergleich mit der JRSO offiziell in den Besitz der  politischen Gemeinde Hüttenbach über und wurde anschließend an eine Privatperson verkauft. Hugo Burkhard kehrte 1959 mit seiner Frau aus Shanghai nach Deutschland zurück und ließ sich in Nürnberg nieder. Er engagierte sich in der dortigen Kultusgemeinde und übernahm 1967 die Redaktion des von ihm erneut gegründeten Gemeindeblattes. In seinen Büchern „Tanz mal Jude“ (1966), „Der Bimberle Bamberle bomberle“ (1969) und „A prisla aus meiner fränkischen Schnupftabaks-Dus’n und a poar G’werzplätzla aus meiner Närnbärcher Blechdus’n“ (1971) arbeitete er seine Erlebnisse in den Konzentrationslagern auf, erinnerte sich aber auch an seine Jugendzeit im geliebten Hüttenbach. Seit 1975 trägt die Straße vor dem ehemaligen Schulhaus seinen Namen. Vermutlich Ende der 1960er Jahre wurde das Badhaus abgebrochen, das Ritualbad im „steinernen Haus“ (Bürgermeister-Roth-Str. 3) hat sich aber erhalten. 1986 entdeckte man auf dem Dachboden einer Gaststätte den Hüttenbacher Torastein, der heute im Jüdischen Museum Franken in Schnaittach steht. Anlässlich der Ausstellung "Geschichte und Kultur der Juden in Bayern" 1988/1989 erstellte das Haus der Bayerischen Geschichte eine Exkursion . Von Nürnberg aus verbindet sie drei typische jüdische Landgemeinden in der Fränkischen Alb (Schnaittach-Hüttenbach-Tüchersfeld), Gesamtstrecke 142km.

Ein von der Familie Isner 1871 gestiftete Toramantel wird im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg aufbewahrt. Der ehemalige Synagogenstandort blieb unbebaut, in unmittelbarer Nähe steht seit 1995 ein Gedenkstein.


(Patrick Charell) 

Bilder

Bevölkerung 1910

Literatur

  • Barbara Eberhardt / Hans-Christof Haas: Hüttenbach. In: Wolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. 2: Mittelfranken. Erarbeitet von Barbara Eberhardt, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Angela Hager unter Mitarbeit von Frank Purrmann und Axel Töllner mit einem Beitrag von Katrin Keßler. Lindenberg im Allgäu 2010, S. 383-403.
  • Louis Lamm: Isak Bernhard Lamm. Der erste jüdische Volks-Schul-Lehrer in Bayern - Aus alten Familien-Papieren. Berlin 1915.
  • Gesellschaft für Familienforschung in Franken / Staatliche Archive Bayerns (Hg.): Staatsarchiv Bamberg - Die 'Judenmatrikel' 1824-1861 für Oberfranken. Nürnberg 2017. Ggf. digital: (Reihe A: Digitalisierte Quellen, 2 = Staatliche Archive Bayerns, Digitale Medien 4).
  • K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 190.