Scheyern - Die Wiege der Wittelsbacher
Wenige altbayerische Klöster weisen eine so bewegte Vergangenheit auf wie Scheyern. Drei andere Standorte gingen voraus, denn zunächst erfolgte die Gründung in Bayerischzell um 1077. Sie wurde nur wenige Jahre später (um 1087) nach Fischbachau verlegt und wanderte im Jahr 1104 auf den Petersberg bei Eisenhofen.
Die Grafen von Scheyern als Nachfahren der Stifterin Haziga übergaben den Benediktinern vom Petersberg 1119 ihre alte Stammburg, in der bereits das Verlöbnis Giselas, der Schwester Kaiser Heinrichs II., mit dem hl. König Stephan von Ungarn stattgefunden haben soll. Sie bezogen als neues Zentrum ihrer Herrschaft die Burg Wittelsbach. Die Wittelsbacher, wie sie sich fortan nannten, behielten jedoch die Vogtei über ihr Hauskloster und nutzten es bis 1253 als Grablege der Familie. Aus dieser Zeit sind mehrere Handschriften erhalten, die den hohen Rang der Scheyerner Buchkunst bezeugen. Weithin bekannt bis auf den heutigen Tag ist die Wallfahrt zu den Partikeln des Heiligen Kreuzes Christi, die das Kloster seit 1180 aufbewahrt. DieWallfahrt zum „Scheyrer Kreuz“ galt als gleichwertiger Ersatz für eine Pilgerschaft nach Jerusalem.
Die Verleihung der Pontifikalien an den Abt von Scheyern im Jahr 1260 markiert den Zenit des Klosters. Nach einer langen Phase des Niedergangs ab der Mitte des 14. Jahrhunderts gelangte die Abtei im ausgehenden Mittelalter und im 16. Jahrhundert zu einer zweiten Blüte. Auch das Haus Wittelsbach, insbesondere Bayerns erster Kurfürst Maximilian, erinnerte sich wieder an die Bedeutung Scheyerns. Er ließ den Bilderzyklus über die Klostergeschichte, bzw. die Geschichte des Hauses Wittelsbach, der bereits im Auftrag von Herzog Friedrich von Bayern-Landshut (+ 1393) in der Fürstenkapelle, der Grablege der Wittelsbacher, angelegt worden war, von Münchner Hofmalern aus dem Umkreis Peter Candids 1624/25 überarbeiten und erweitern. Heute stellen diese 20 sog. Fürstenbilder eine Bildquelle ersten Ranges zur der bayerischen Geschichte dar.
Der Dreißigjährige Krieg traf die Abtei besonders hart. Im Gegensatz zu anderen Klöstern war die Hochphase des Barock für Scheyern kaum prägend. Die dritte Glanzzeit der Abtei vor der Säkularisation stand vielmehr im Zeichen der katholischen Spätaufklärung und des späten Rokoko.
Scheyern wurde bereits am 5. November 1802 unter landesherrliche Aufsicht gestellt. Der Aufhebungsbeschluß wurde dem Konvent am 21. März 1803 eröffnet und zum 1.April 1803 wirksam. Die Klosterkirche übernahm die Funktion der Pfarrkirche. Das Klostergut wurde an Privatleute verkauft. Der geschichts- und familienbewusste König Ludwig I. hegte ein besonderes Interesse für die Neubelebung des vormaligen Hausklosters und erwarb den Besitz für einen Neuanfang. Zeitweilig plante Ludwig I. hier sogar eine neue Grablege. So zogen im Mai 1838 Benediktiner aus Metten in Scheyern ein. Die neue Propstei wurde bereits 1842 wieder zur Abtei erhoben. Seit 1980 ist die Klosterkirche auch päpstliche Basilika. Das Innere des Kirchenraums erfuhr um 1878 eine drastische Umgestaltung im neoromanischen Stil, die wiederum 1924 durch eine Rekonstruktion der Rokokofassung abgelöst wurde.
In der Zeit des Nationalsozialismus war die Abtei von der Auflösung bedroht. Als Vorbote wurde die Klosterschule geschlossen. An deren Stelle gründeten die Scheyerner Benediktiner 1939 das heute noch bestehende Byzantinische Institut (seit 2008 mit Sitz in der Münchener Residenz), in dem eine Neuausgabe der Schriften des hl. Johannes von Damaskus erarbeitet wird.
Während des Zweiten Weltkriegs nahm die Abtei die aus ihren Klöstern vertriebenen Konvente von Kremsmünster und St. Ottilien auf. Sie diente zugleich als Kaserne der Wehrmacht sowie als Bergungslager für Werke aus der Glyptothek, der Staatlichen Graphischen Sammlung, der Handschriftenabteilung der Münchner Staatsbibliothek und der Porzellanmanufaktur Nymphenburg.
In der ersten Nachkriegszeit übernahm die U.S.Armee die Wehrmachtskaserne in Scheyern. Nach dem Abzug der Soldaten konnte 1946 das Klostergymnasium wieder eröffnet werden (seit 1970 fortgeführt im Schyren-Gymnasium Pfaffenhofen). 1976 nahm eine Staatliche Berufsoberschule mit angeschlossenem Wohnheim im Kloster ihren Betrieb auf; 2012/13 auch eine Fachoberschule für Wirtschaft und Technik. Zudem beherbergte Scheyern seit 1979 die Bayerische Waldbauernschule. Insgesamt besuchten 2016/17 rund 550 Schülerinnen und Schüler die Bildungseinrichtungen des Klosters. P. Franz Gressierer (1916?2004), der über fünf Jahrzehnte lang für die Klosterbibliothek verantwortlich war, betreute die Renovierung und Neuaufstellung der Buchbestände im Barocksaal nach mittelalterlichen Vorlagen (1993 abgeschlossen).
Die im Kloster traditionell beheimateten Handwerksbetriebe (Buchbinderei, Schneiderei und Wäscherei, Gärtnerei, Brauerei, Klosterschenke und Klostermetzgerei, Imkerei und Schreinerei sowie Elektro- und Malerwerkstatt, Fischzucht, Forstbetrieb, Landwirtschaft) mussten aus personellen und wirtschaftlichen Gründen bis in die 1990er Jahre teils geschlossen, teils verpachtet werden. Das Sägewerk wurde 1986 stillgelegt. Im Zuge der ökologischen Bewegung erfolgte jedoch seit der Wende zum 21. Jahrhundert ein Umdenken, durch das ein Großteil der Betriebe wieder zu neuem Leben erweckt und modernisiert wurden.
Nachdem die Klosterbrauerei seit 1950 an die Aktien-Brauerei zum Hasen in Augsburg verpachtet gewesen war, wurde das Braugewerbe 2006 wieder im Kloster angesiedelt. Auch die Klosterschänke hat man 2008 in Eigenregie wiedereröffnet. Mit dem selbst gebrauten Bier wurde 2017 erstmals ein Festzelt auf dem Volksfest Pfaffenhofen bewirtschaftet. Parallel dazu produziert die Scheyerner „Klosterbier Vertriebs GmbH“ Gestensaft nach eigener Rezeptur in einem neuen Sudhaus der Tucherbrauerei Nürnberg und generiert damit Einnahmen, mit denen die vielfältigen Ausgaben des Klosters finanziert werden. Die landwirtschaftlichen Flächen rund um das stattliche Klostergut Prielhof waren ab 1990 für Langzeitstudien des Forschungsverbunds Agrarökosystem München an den Freistaat Bayern verpachtet. Seit 2016 bewirtschaftet sie das Kloster wieder selbst nach streng ökologischen Richtlinien; daneben betreiben die Benediktiner auch eine Gärtnerei, Schaf- und Geflügelhaltung, Forst-, Teich- und Almwirtschaft. In der klostereigenen Metzgerei, Käserei und Schnapsbrennerei werden die Erzeugnisse weiterverarbeitet und vor Ort vermarktet. Die Klostermetzgerei mit zwei Filialen in Gerolsbach und Pfaffenhofen beschäftigt mit rund 40 Angestellten die meisten Mitarbeiter innerhalb der klostereigenen Betriebe. Seit 2005 kann sich die Abtei mit Hilfe von Photovoltaikanlagen und einem eigenen Biomasse-Heizkraftwerk auch mit eigenem Strom versorgen.
Markus Eller OSB wurde 2008 zum 57. Abt des Klosters Scheyern gewählt. Unter seiner Ägide fanden zwischen 2013 und 2017 große Umbaumaßnahmen im Südflügel des Klosterhofes statt. Es entstanden neue Unterrichtsräume der Fachoberschule, ein Wittelsbacher Saal und ein neues Pfarrzentrum. Außerdem erfolgte die Außen- und Innenrenovierung der Basilika, die 2019 zum 900jährigen Klosterjubiläum abgeschlossen werden konnte. Im Gotteshaus hat man im Zuge dieser Arbeiten die ursprüngliche Raumfassung des 18. Jahrhunderts rekonstruiert und eine neue Chororgel angeschafft. Neben ihren vielfältigen Aufgaben in den Bereichen Bildung, Erziehung und in den Wirtschaftsbetrieben des Klosters engagieren sich die Mönchen vor allem in der Seelsorge für die Wallfahrer, die zur Scheyrer Kreuzreliquie kommen, und für die Gläubigen in den von ihnen betreuten Pfarreien in Scheyern, Niederscheyern, Gerolsbach und Hirschenhausen. 2021 gehörten dem Scheyrer Konvent elf Benediktiner an.
( Christian Lankes / Christine Riedl-Valder )
Link: www.kloster-scheyern.de