Die Kapuziner in Augsburg
Die ersten Kapuziner, die Patres Prinz Ludwig von Sachsen und Niccolo aus Mantua, kamen im Jahr 1600 heimlich aus Graz in die Reichsstadt Augsburg. Markus Fugger hatte sie geholt, um das religiöse Leben der katholischen Minderheit zu stärken. Die beiden Mönche fanden zunächst ihr Domizil bei den Augustinerchorherren von Heiligkreuz. 1601 gelang es den Fuggern im Ulrichsviertel an der Stadtmauer ein Grundstück für eine Klostergründung bereit zu stellen. Schon 1602 konnte die bescheiden ausgestattete Klosterkirche St. Franziskus geweiht werden. Sie beherbergte eine Reliquie des seligen Gualfardus oder Wolfhard, des Patrons der Sattler. Der gebürtige Augsburger hatte das Sattlerhandwerk erlernt, lebte später als Eremit in Norditalien und starb im Jahr 1127 als Mönch in Verona.
Den Lebensunterhalt des jungen Konvents sicherten zunächst die Fugger. Als Angehörige eines Bettelordens lebten die Kapuziner jedoch in erster Linie von ihren Sammelaktionen. Bald erfreuten sie sich großer Beliebtheit als Beichtväter und Prediger bei der einfachen Bevölkerung, die sie mit Spenden unterstützte. Auch etliche Stifte und Klöster in der Stadt (Moritz, Stephan, Georg, Heiligkreuz, Ulrich, Katharina, Karmel) und im Umland (Altomünster und Oberschönenfeld) versorgten das Kapuzinerkloster mit Naturalien. Ab 1606 fand der Konvent organisatorischen Rückhalt durch die Aufnahme in die Tirolische Provinz. Der Orden richtete in Augsburg eine Tuchmanufaktur ein, von der die verschiedenen Niederlassungen der Provinz den Stoff für die Kutten bezogen.
Hohes Ansehen erwarben sich die Augsburger Kapuziner durch ihren selbstlosen Einsatz in den Pestjahren 1627 und 1634. Bis zur Säkularisation betreuten ständig etliche Angehörige des Klosters das Pest- und Siechenhaus vor dem Stephingertor. Dort errichtete Elias Holl 1612 die von den Kapuzinern versehene Sebastianskapelle mit einem Kaplanhaus.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg erlebte das Kloster seine Blütezeit. Es diente als Noviziat für alle Kleriker der Tiroler Ordensprovinz. Mit durchschnittlich 40 Mitgliedern war es der stärkste Konvent der Kapuziner. Nach den josephinischen Kirchenreformen in Österreich, die einen stärkeren Einfluß der Staates auf die Orden beinhalteten, bildeten die schwäbischen Kapuziner ab 1789 einer selbstständige Provinz; ihr letzter Provinzial war ein Angehöriger des Augsburger Konventes.
1802 wurden auch die Kapuziner von der Reichsstadt Augsburg säkularisiert. Die Mönche durften jedoch bis auf weiteres in ihrem Kloster bleiben. Selbst der bayerische Staat konnte nach der Einverleibung von Augsburg im Jahr 1806 mit dem ärmsten Kloster in der Stadt nichts anfangen. Noch 1807 lebten dort 34 Bettelmönche. 1809 wurde die Klosteranlage an den Kaufmann Johann Baptist Fumasi verkauft und 1815 in eine Brauerei umgewandelt.
Bereits 1843 kamen die Kapuziner auf Bitten der Sebastiansbruderschaft die Kapuziner wieder nach Augsburg. Sie gründeten ihr neues Kloster provisorisch bei ihrer alten Kapelle St. Sebastian. Hier leisteten die Bettelmönche vor allem Sozialarbeit für die im Zuge der Industrialisierung rasch wachsende Vorstadt Wolfzahnau. Erst 1908 entstanden für das Kloster und die Kirche ausreichende Gebäude im Stil der Neo-Romanik. Sie wurden 1996 umfassend restauriert. Seit 1966 nennt sich das Kapuzinerkloster "Franziskanisches Zentrum St. Sebastian".
( Christian Lankes / Sylvia Stegmüller )