Augsburg, St. Stephan


 

GESCHICHTE

St. Stephan - Stiftsdamen, Soldaten und Schulmönche

Im Jahr 969 bestätigte der hl. Bischof Ulrich nahe bei der frühchristlichen Kirche St. Gallus eine fromme Gemeinschaft adliger Frauen unter der Vorsteherin Ellensind. Bald begann der Bau einer großen Kirche zu Ehren des hl. Stephanus. Damit war St. Stephan nach dem Domkapitel und dem Kloster St. Ulrich und Afra die drittälteste und vornehmste geistliche Gemeinschaft in Augsburg.
Wenngleich die Oberin von St. Stephan spätestens ab der Mitte des 12. Jahrhunderts den Ehrentitel Äbtissin führte, waren ihre Stiftsfrauen keine Nonnen, sondern Kanonissen. Sie befolgten keine feste Ordensregel, sondern allgemein die Vorschriften (lateinisch "canones") der Kirche. Bis zu seiner Aufhebung verstand sich St. Stephan als ein "freiweltlich adeliges Damenstift". Zur standesgemäßen Versorgung der Damen dienten jährliche Einkünfte aus dem Stiftsvermögen, so genannte Präbenden, zusätzlich zum erlaubten Privatbesitz. Zudem lebten die Stiftsdamen nicht in Klausur und durften auch heiraten. Lediglich die Vorsteherin war mit ihrer Wahl auf Lebenszeit an das Stift gebunden. 
Im 12. Jahrhundert entstand die Stadtpfarrei St. Stephan, urkundlich nachweisbar ab 1169 als Abtrennung vom Sprengel der alten Dompfarre. Die Pfarrei war dem Damenstift inkorporiert; die Äbtissin von St. Stephan bestimmte den Pfarrer und sorgte für den Unterhalt, das sonstige Personal und die Gebäude. Ab dem späten 16. Jahrhundert versah jedoch stets ein Domvikar die Pfarrstelle. 1809 wurde die Pfarrei aufgelöst und verteilt auf die Sprengel der Dompfarrei und der Pfarrei St. Georg. 
Drei Mal fiel das Stift Bränden zum Opfer: 1059, 1205 und 1459. Nach Einführung der Reformation in Augsburg verkaufte das Stift seinen Grundbesitz in der Stadt, um einer Enteignung vorzubeugen. Dennoch mussten die Stiftsdamen von 1537 bis 1548 die Reichsstadt verlassen. Sie lebten in Höchstädt.
Ende des 16. Jahrhunderts verschärfte Bischof Johann Otto von Gemmingen ganz massiv die Regeln für St. Stephan. Die adligen Fräulein mussten fortan auf ihre abgetrennten Wohnungen und ihre Dienstmädchen innerhalb des Stifts sowie auf ihre modische und angeblich "freche" Kleidung zugunsten einer Haustracht verzichten. Wie in einem Kloster wurde das Chorgebet eingeführt. Die Äbtissin unterstand nun dem jeweiligen Domdekan. Um 1650 lebten nur noch zwei Damen im Konvent.
Das 18. Jahrhundert führte St. Stephan zu neuer Blüte. Der Konvent konnte nun wieder zwölf adlige Fräulein aufnehmen: Die Äbtissin und sieben Kapitulardamen bildeten das Kapitel. Bei Ableben einer Kapitularin konnte eine Exspectantin nachrücken. Hierfür waren zwei Stellen vorgesehen. Schließlich gab es Platz für zwei Domicellardamen ohne Stimmrecht. 
Die Angehörigen des Stifts rekrutierten sich ausschließlich aus dem schwäbischen Landadel. Töchter des katholischen reichsstädtischen Patriziats fanden keine Aufnahme. 
Dem Selbstverständnis des Stifts diente auch der Neubau seiner Stephanskirche unter dem fürstbischöflichen Hofbaumeister Franz Xaver Kleinhans in den Jahren 1755/57. Balthasar Riepp schuf die Fresken und Franz Xaver Feichtmayr die Stuckarbeiten. Am Vorabend der Säkularisation erreichte der Konvent eine Erleichterung der Hausregeln, insbesondere entfielen der gemeinsame Schlafsaal und das Stundengebet. 
Noch 1796 begann die Äbtissin Maria Antonia Reichsfreifrau von Welden einen kompletten Neubau für den Konvent. Er war gleichsam pünktlich fertig zur Säkularisation durch die Reichsstadt Augsburg im November 1802. Die drei weltlichen Herrschaften des Stifts - Batzenhofen, Asch und Pfaffenhofen - gingen hingegen an das Kurfürstentum Bayern. Ungeachtet der formellen Aufhebung blieben die Kanonissen in St. Stephan, auch nach der Übernahme von Augsburg durch das Königreich Bayern im Jahr 1806. Erst 1807 mussten die Damen ihre Wohnungen räumen. 
In das ehemalige Stift zog die königlich bayerische Armee. Sie nutzte es von 1808 bis 1816 als Sitz für das Generalkommando in Schwaben. Anschließend beherbergte St. Stephan das zentrale Montur-Depot der Armee. Im Frühjahr 1828 wurde das Magazin auf Befehl König Ludwigs I. nach München verlegt, um das Stiftsgebäude für eine geplante Neugründung als Kloster frei zu bekommen. 
Noch im Jahr 1828 wurde die katholische Studienanstalt bei St. Stephan eingerichtet. Sie umfasste eine Lateinschule, das eigentliche Gymnasium, ein Lyzeum (später Philosophische Hochschule bis 1969), und das Internat. Die Neubesiedlung durch Benediktinermönche erwies sich jedoch schwieriger als zunächst erwartet. So entstand zunächst der Konvent in Metten (1830). Erst im November 1835 wurde auch das Kloster St. Stephan feierlich gegründet. Zugleich wurde nun den Benediktinern die Studienanstalt übertragen. Die Abtei St. Stephan wurde Mutterkloster für die Priorate Metten und Ottobeuren.
Nach den Kriegszerstörungen von 1944 konnten von 1950 bis 1966 Kirche und Kloster wieder errichtet werden. Die Ausstattung der Stephanskirche ist zurückhaltend modern. Lediglich das Gitter am Eingang der Kirche erinnert an die Zeit des Rokoko.
Die Benediktinerabtei betreibt heute als staatliche Schulen für Jungen und Mädchen ein Humanistisches und ein Musisches Gymnasium. 

( Christian Lankes/ Sylvia Stegmüller )



 

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AUS DEM HDBG-MEDIENARCHIV
Stephan in Augsburg (bis 1803 Damenstift) mit kgl. Lyceum und Gymnasium, Lithographie (?), 1894 (nach Vorlage von ca. 1670 von J.A. Graff), Augsburg, Benediktinerkloster St. Stephan.
Copyright: Haus der Bayerischen Geschichte, Augsburg (Voithenberg)

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